Murder by Death – Big Dark Love
Der Vorgänger ‚Bitter Drink, Bitter Moon‚ war seinerzeit die dritterfolgreichste Kickstarter-Aktion überhaupt – ‚Big Dark Love‚ lukrierte im Vorfeld sogar ganz mühelos nochmal um 100.000 US-Dollar mehr. Seit sich Murder by Death auf den Crowdfunding-Weg begeben haben, läuft es wie am Schnürchen für die Band aus Bloomington. Vielleicht sogar glatter, als es ihren Songs gut tut.
Was man Murder by Death nicht vorwerfen kann ist, dass sie es sich zu gemütlich in ihrer Wohlfühlzone im Alternative Country machen würden: der weich groovende Rhythmus von ‚I Shot an Arrow‚ mit seinem schleichenden Piano könnte so auch durchaus der einen oder anderen HipHop-Kombo in die Karten spielen – Bandkopf Adam Turla und seine Gang drehen das Szenario mit sanfter Dramatik aber doch lieber Richtung lupenreinem Pop. Durch den gemächlichen Orgelschunkler ‚Solitary One‚ stampfen dicke Casino-Bläser, bis die Killers um die Ecke zu starren scheinen, der Titelsong hat ohnedies einige Effekte unter der Motorhaube blubbern. ‚Strange Eyes‚ gaukelt die große Synthieballade vor, ist dann aber doch ein ungemein sympathisch nach vorne stampfender Ohrwurm mit Breitbandfinale, bei dem sich alle in den Armen liegen. Und das regelrecht fröhlich-kontrastierte ‚Last Thing‚ macht letztendlich doch mehr richtig, als das Gros der Folkrockkonkurrenz. Für ‚Big Dark Love‚ flechten Murder by Death so manche Neuerungen um ihr Songwriting, dazu besteht absolut kein Mangel an eingängigen Ohrwürmern: die charismatischen Melodien, die scheinen Turla auf dem siebenten Studioalbum seiner Band so locker von der Hand zu gehen, wie nie zuvor. Den Umweg über räudige Ecken und Kanten gehen die Songs dabei allerdings kaum noch.
Mit Kevin Ratterman haben Murder by Death nach John Congleton diesmal einen Produzenten rangelassen, der eigentlich durchaus Radau-erprobt wäre, der Band aber ihren auf Dust Bowl-Relikt getrimmten Sound noch weiter austreiben durfte; die optimistischen Indie-Ausstrahlung der jüngeren Vergangenheit dazu endgültig über das staubig-verdammte Klangewand der ersten Alben gekehrt und damit das Hitpotential des Quintetts noch einmal deutlicher unterstrichen hat – damit gleichzeitig aber auch einen Großteil der noch verbliebenen Tiefenwirkung der Band eliminierte.
‚Big Dark Love‚ scheint alle seine Vorzüge gleich auf den Erstkontakt Preis zu geben, hat trotz zahlreicher produktionstechnischer Details so gut wie nie ein nötiges Ass im Songwriting-Ärmel, keine Finten vorbereitet. Man muss sich dieses Album nicht erarbeiten, das eher eher galant begleitet, als dass es zu irgendeinem Zeitpunkt die raue Unberechenbarkeit der besten Murder by Death-Momente in Erwägung ziehen würde. In anderen Bandphasen hätte das wunderbar Gospelverliebte ‚Send me Home‚ so eventuell eine überlebensgroßer Gänsehautmoment werden können – auf ‚Big Dark Love‚ erreicht die gute Nummer wie die meisten seiner Kumpanen nie die in Aussicht gestellten Höhen und Spannungsausbrüche. Auch irgendwie symptomatisch: dass Sarah Balliet’s ehedem tragendes Cello mittlerweile allzu oft wie ein liebgewonnenes und nur deswegen beibehaltenes Gimmick anmutet, welches der Tradition wegen in den Song gepackt wurde, ohne dass es aber tatsächlich gravierendes zur Entwicklung beiträgt: ein paar eingetreute, simple Melodiestriche müssen zumeist reichen.
Denn seit Murder by Death zu fünft sind (Multiinstrumentalist David Fountain ersetzt mittlerweile Scott Brackett an Banjo, Mandoline und dergleichen) bereichert das zwar die Vielfalt der Arrangements, leuchtet das allgemeine Szenario jedoch viel zu hell im konventionelle Indiegewand aus.
Wenn ‚Hunted‚ nach enorm kompakten 33 Minuten den zumindest zweiten Selbstläufer der Band beendet, tut es dies deswegen vor allem mit einem unbefriedigenden Gefühl. Sicher waren das praktisch 10 singletaugliche, servierfertig verarbeitete Nummern, aber selbst episch gemeinte Nummern wie der Albumcloser – der wie einige wenige andere Ausreißer nach oben die Klasse alter Tage aufblitzen lässt – können nicht die Eindringlichkeit und Präsenz erzeugen, die man von den dunklen Todestänzen von Murder by Death gewohnt ist. Auf ihrer Popplatte – und das ist ‚Big Dark Love‚ in Summe definitiv – sind die Amerikaner so zu einer wohligen Easy Listening Version ihrer selbst geworden, niemals wirklich schlecht, aber meist schlichtweg nebensächlich langweilig. Hoffentlich nur das Durchatmen in erfrischender Leichtigkeit, bevor man wieder in das finstere Tal hinabsteigt.
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