Murder by Death – The Other Shore
Das Zurückgreifen auf ein umfassendes Konzept als Grundlage für ihr achte Studioalbum mag nicht alle Probleme lösen, die sich Murder by Death über die vergangenen Jahre aufgehalst haben. Dennoch lenkt The Other Shore die Entwicklung der Band wieder zu ihren eigentlichen Stärken – und die Qualitätskurve damit in die richtige Richtung.
„It’s basically a space western without guns, aliens or battles. It’s about a ravaged earth and love that spans an impossible distance. One character flees the dying Earth and the other stays behind, eventually realizing their mistake and boarding a shuttle in an attempt to rejoin their loved one“ erklären Murder by Death die Geschichte hinter The Other Shore.
Ein Konzept, das sich [amazon_link id=“B00FU80CGE“ target=“_blank“ ]15 Jahre nachdem der Teufel durch Mexiko[/amazon_link] wanderte, in den Lyrics eher als abstrakte Lovestory durch die elf neuen Songs zieht, die Band musikalisch aber nach den eklektischen Stil-Expansionen und gar gen Portugal. The Man orientierten Pop-Annäherungen von Big Dark Love wieder näher zurück zu den Wurzeln rückt. „There are moments of vintage MBD as well as new musical explorations“ trifft es dabei relativ gut.
Symptomatischerweise darf das Cello von Sarah Balliet dafür endlich auch wieder zu einem tragenderen Element in den Kompositionen werden, nachdem ihre Streicherparts zuletzt ja mehr oder minder zum profillosen Gimmick verkommen waren. Der nette Ohrwurm Stone hat beispielsweise ein ziemlich bezaubernd-bittersüßes Finale zu bieten, zu dem das Cello die ruhige Dramatik lenkt, aber das Spotlight trotzdem den jubilierenden Bläsern überlässt. Im leise schwofenden Tanz des schüchternen Duetts Only Time führt Balliet die beiden verliebten Protagonisten unter den offenen Sternenhimmel und begleitet das stacksende Space gleichberechtigt neben der Gitarre, darf aber im Refrain den Raum in den Hall auftun, um durch gespenstische Sphären zu schweben: „Until I step outside/ Into the void/ There is no sound/ Darkness is everywhere“.
Im Abspann namens Last Night on Earth klimpert die anmutige Klavierballade mit schleichendem Besenschlagzeug, das Geschehen tänzelt Balliet wie einer leise hoffnungsvollen Rattenfängerin hinterher und der Closer wächst immer weiter an, korrigiert seine Richtung und nimmt zu einer majestätischen Epik Anlauf, in der Bläser und Gitarren zum cinematographischen Ganzen zusammenwachsen, in der das Cello das letzte Wort behält.
Spätestens hier zeigt sich auch, dass Frontmann Adam Turla die Vorzüge seiner Band wieder besser nützt, sie in Songs umzumünzen versteht, die gerade auch die größere Bandbreite an Instrumenten in den Arrangements aufblühen lässt, ohne diese als blendende Verzierung zu interpretieren. True Dark steht ein bisschen unter Strom, während die Backingvocals soulig heulen und die Orgel den Song später sogar bis auf die twistende Tanzfläche begleitet. Travelin‘ Far ist eine verträumt perlende Sehnsucht am Banjo, traurig und schön, reduziert und atmosphärisch. Bloom hat mit seiner Harmonika und dem treibenden Rhythmus etwas von The The, während die Gitarre wie bei den frühen Kills klingt und dezente Synthies den Hintergrund bereichern. Das eigentliche Finale der Platte, New Old City, funkelt dann mit noch kristallineren Keyboardarrangements über einem spärlichen Gewand, das vor allem auf skelettiert polternde Drums setzt, bis der Song versöhnlich über den Horizont reitet.
Als großer Unterschied zu den frühen Großtaten der Band agieren Murder by Death auf dem meist in behaglichem Tempo gondelnden The Other Shore aber selbst in derartig aufbrausenden Momenten zu zahm und zurückhaltend, belassen den früher unter bedrohlichen Spannungen stehend Sündenpfuhl mittlerweile in relativ subtiler Harmoniesucht. Eine angenehm zu konsumierende Zugänglichkeit steht da im Zweifelsfall über jeder unter die Haut gehenden Intensität, die prolongierten „manic highs and deep dark lows; brutally raw moments of realization and self-doubt“ finden in der friedfertig ausbalancierten Bekömmlichkeit nicht statt.
Stattdessen schunkelt etwa das romantisch-fliesende Alas melancholisch zur Einsamkeit und behält sich ein tröstendes Element, bleibt aber trotz stampfendem Dynamik weniger dringlich, als vielmehr schwelgend und auf nach vorne gehende Weise elegisch. Auch das theoretisch rockende Chasing Ghosts läuft zwar bestimmt dahin, ist aber praktisch enorm weich gestaltet und selbst dann nicht kantig, agressiv oder ungemütlich, wenn Tulsa kurz Krallen zeigt.
Es zeigt sich: Zwar hat sich die Inszenierung und Aufarbeitung der Songs im Vergleich zu Bitter Drink, Dark Moon wieder verschoben, die Qualität des Songwritings ist dadurch aber nur bedingt zurück in die Tiefe gedrungen. The Other Shore bekommt deswegen auch niemals das Gewicht der besten Murder by Death-Alben auf den Boden, kann und will keine unbedingt packende Katharsis erzeugen. Am deutlichsten wird dies im geradezu luftigen Singalong-Pop von I Have Arrived, der seine Eingängigkeit praktisch unmittelbar in eine gefällige Harmlosigkeit verliert. Nicht nur hier, sondern ganz allgemein bei dem an sich ausfallfreien Ausgangsmaterial, hätte es wohl schlichtweg einen Produzenten gebraucht, der die Platte auch mal anecken lassen und einen schrofferen Charakter erzwungen hätte. Weswegen The Other Shore letztendlich ein zutiefst ambivalentes Albumgeworden ist, das gerade in Anbetracht des erfreulichen Aufwärtstrends ohne genügend nachhaltige Gravitation nach 44 kurzweiligen Minuten ein wenig frustrierend (und in der Wertung hier übrigens doch nur knapp vor der nächsthöheren Punktezahl) entlässt.
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