Mountain – Evolve

von am 12. September 2016 in Album

Mountain – Evolve

Ein hierarchisch geführtes Kollektiv aus Villach wagt anhand von Evolve die Probe aufs Exempel: Wie eklektisch kann sich eine Newcomerband 2016 noch über die ausgetretenen Pfade des Postrock bewegen, ohne jener ermüdenden Redundanz zu verfallen, die von vorherein wie ein Damoklesschwert über praktisch jedem Genrevertreter zu schweben scheint?

Eine Frage, die Mountain im Verlauf der knapp 45 Minuten ihres Debütalbums letztendlich – und relativ simpel – mit der schieren Qualität ihres Songwritings beantworten und jedweden Stigmata geradezu paradox die Zunge zeigen. Denn ja, Evolve bedient sich über weite Strecken geradezu exemplarisch altbekannter Genre-Baukastenmuster, spielt da und dort nur zu typisch mit wenig originären Laut/Leise-Versatzstücken und variiert dann wieder die bisweilen proggig gezirkelten Dynamiken der rein instrumentalen Klanglandschaften wie aus den Lehrbüchern der Genre-Größen nachexerziert.
Einzig: Strick lässt sich daraus keiner für das Kärntner Quartett um Bandkopf Philipp Otte drehen. Denn wie versiert und bestimmt dieser Mountain durch die sieben monolithischen Kompositionen führt, Spannungsbögen aufschichtet, Melodien mit grimmiger Miene intensiviert, emporhebt, wuchtige Basslinien in die Magengrube wummern und darüber Gitarren in reverbschwangerer Tremoloschönheit strahlen lässt, ein unablässiges Wechselspiel aus Brachialität und Zärtlichkeit anrührt, seine Songs peinigt und erlöst – all das lässt dann eben auch immer wieder eine ganz grundsätzliche Klasse erkennen. Eine Klasse, aufgrund derer es sich diese Band durchaus leisten kann, auch nach Konventionen zu spielen und die Achillesferse der noch nicht restlos ausformuliertes eigenen Identität ohne Charakterschwäche auf das Podest zu stellen. Evolve ist nämlich trotzdem (oder etwa: gerade deswegen?) ein Album geworden, in das man sich mit jedem Durchgang deutlicher verlieren kann, das mit seiner immaginativen Bandbreite das Kopfkino ankurbelt und vor allem vor grandiosen Szenen strotzt, die dem Postrock als solchem pure Rosen streuen.

Das gefinkelte Gitarrengeplänkel im zwischen Nachdenklichkeit und Rastlosigkeit zerrissenen Stugor etwa, das plötzlich den Raum für ein beinahe Grunge-artiges Intermezzo lüftet. Die geduldig pulsierende Tiefe von Verminest, die sich in eine sich gar zu schnell verflüchtigende Wohligkeit auflöst. Auch der abschließende Leuchtturm Mondo-Kane geht sein Potential zu kompakt an, umspült aber auch so mit einer heroischen Weite – und liefert zudem einen der Gründe, sich Mountain live keinesfalls entgehen zu lassen. Tides of Nebula oder God is an Astronaut haben dies bereits zu spüren bekommen.
Der stoische Metal-Härtegrad des stimmungsvoll ausgeleuchteten Ahram, das sich immer verspielter zu einem gleißenden Horizont ausbreitet und seine Explosion mit einer Größe hinauszögert, die auch Atheists Cornea fabelhaft gestanden hätte, wird dann Freunde von Russian Circles anstandslos ins Boot holen – hämmernder Blastbeat hinten raus inklusive. Symptomatisch auch, dass Savage-Landor es sich erlaubt, nur zu routiniert mit dem eigentlich ausgelutschten Stilmittel der Sprachsamples zu hantieren, weil die im Studio zum Sextett angewachsene Kombo drumherum eine überwältigende Kathedrale in bester Mono-Manier hochziehen.

Wozu Mountain wirklich fähig sind, zeigt sich dann ohnedies vor allem in der bockstarken Schlussphase der Platte, die kleine Kinderkrankheiten (eine mutigere Produktion hätte Evolve beispielsweise wohl noch auf ein ganz anderes Level heben können) vergessen macht und den wenigen Leerlauf der Platte mühelos überstrahlt: etwa das pianoinfizierte Deeds, Grammar and What You Make of It, das seinen erst unschön nach Studio-Verkopftheit klingenden Gitarrensound (der wie auch die einleitenden Momente von Hawking gefühltermaßen ein wenig zu dünn und wenig nachdrücklich rifft) etwa nur überwindet, um sich etwas zu hastig durch eine Patchwork-Riege an tollen Ideen zu gniddeln, obwohl jede Passage es verdient hätte ausführlicher wachsen zu dürfen, sich erschöpfender in Motive zu legen. Aber eben: Dass die noch junge Band Mountain noch Zeit braucht, um ihre Stärken nahtlos auf Tonträger zu übersetzen -geschenkt!
Schließlich sind Otte und seine Mannen schon jetzt immer dann am besten, wenn sie sich vollends in ihre Stücke fallen lassen, instinktiv und intuitiv arbeiten und hemmungslos mitreißen, egal ob man das schon unzählige Male ganz ähnlich gehört zu haben glaubt. Und gerade in diesem vertrauten Rausch ist es dann auch schwer, sich der assoziativen Kraft dieser Band zu entziehen, die im Windschatten ihrer Vorbilder einen durchwegs beeindruckenden Einstand vorgelegt hat. Mehr als das haben die Villacher mit dem Rohdiamanten Evolve jedoch ein ambitioniertes Versprechen an die Genre-Zukunft abgegeben.

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