Motorpsycho – The Death Defying Unicorn

von am 20. Februar 2012 in Album, Heavy Rotation

Motorpsycho – The Death Defying Unicorn

Motorpsycho spielen im dreiundzwanzigsten Bandjahr Rockmusik mit Orchester, Streichoktett und Jazz-Keybord: Bombast, Wahnsinn, Megalomanie; ein Husarrenritt an der Grenze zwischen Genie und Wahnsinn. Was so schnell in die Hose hätte gehen können, gelingt zum Meisterwerk. Prog nahe der Perfektion!

Nach all den Jahren, fünfzehn Studioalben, gefühlten tausend EP’s und ungleich mehr Songbeiträgen waren die ewig suchenden Motorpsycho bereits überall. Im Country und Rock, im Blues und Jazz, im Progrock und in hochkomplexen Jam-Abfahrten. Für ‚The Death Defying Unicorn‚ geht die Reise nicht in vollends neue Gefilde, aber weiter hinaus als je zuvor. Hin zu quergelegt arrangierten Streicherexzessen nahe einer experimentellen Form der Klassik und Ola Kvernberg als ausrastendem Geigenvirtuosen an der Pforte dieser, wo sich  ‚The Death Defying Unicorn‚ zum überquellenden, 83 minütigen Rausch auswächst. Wo Ståle Storløkken als Arrangeur und Jazz-Keyboarder die Zügel in der Hand hat und die immer wieder hungrigen Motorpsycho den schon so ausgefuchsten Rock ihres letzten Meisterwerks ‚Heavy Metal Fruit‚ noch einmal weiter  ausformulieren: „A fanciful and fairly far-out musical fable„.

Erzählt wird von Kapitänen und Matrosen, gigantischen Schiffen und der Rachsucht der Meeres. Hans Magnus Ryan und Bent Sæther tauchen immer wieder in den wilden Arrangementwellen unter, werden von wild wuchernden, oppulenten Jazzkakophonien überrannt und schlagen mit halsbrecherischen Rockriffs zurück, es wird gegniedelt und die Verneigung vor King Crimson ist eine tiefe. Die Streicher jubilieren phasenweise wie von Sinnen, das Songwriting ist ebenso uferlos und episch, wie die technische Ausführung meisterhaft ist. Die in der Theorie viel zu überladenen Stücke formen sich zu einer alles verschlingenden Einheit, einem fordernden Kraftakt mit kreativer Explosionswucht und niederschmetternder Dramatik. Ein Vor- und Zurück, ein permanentes An- und Abschwellen ‚Through the Veil‚ humpelt mit aufgescheuchten Blechbläsern nonkonform los und wird in seinen über sechzehn Minuten an den dramatischen Overkill kommen, ohne zu irgendeiner Sekunde aufgebläht zu sein. Exemplarisch für den Rest des Albums: Die Grenzen zwischen den Songs verwischen, ‚The Death Defying Unicorn‚ ist mehr als die Summe seiner Teile, ist ein alles verschlingendes Wunderwerk von einem Album.

Ob das norwegische Jazzforum ein solches Ergebnis vor Augen hatte, als es Motorpsycho und Ståle Storløkken mit dem Trondheimer Jazzorchester für ein einzelnes Konzert am Molde International Jazzfestival 2010 zusammenbrachte? Nachdem die beteiligten Musiker mit den aufgeführten Kompositionen derart unzufrieden waren, dass die allgemeine Perfektionssucht die Parteien ins Studio getrieben und zu abermaligen Höchstleistungen angestachelt hat, wird man wohl etwas geahnt haben. Das letztendliche Ergebnis kommt nun aber doch einem Paukenschlag gleich. Vor allem, weil das bei allem Anspruch und jeglicher Versiertheit der Musiker niemals nur prätentiöses Instrumentengewichse ist, nicht zum abgehobenen Muckertum allein verkommt, das umfassende Instrumentarium niemals zum bloßen Selbstzwecks herhalten muss und ‚The Death Defying Unicorn‚ zu jedem Zeitpunkt greifbar, nachvollziehbar und packend geraten ist. Motorpsycho und Ståle Storløkken gelingt dabei ein Gesamtkunstwerk aus Musik, Sound und Aufmachung, dass sich der gängigen Bezeichnung „Rock Oper“ so sehr erwehrt, wie es im ursprünglichen, wahrhaftigen Sinne eine solche ist. Ein Amalgam aus Rock, Jazz und Klassik. Mehr noch ein Meisterwerk für die Ewigkeit, erhabene Musik für den Rock Olymp.

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