Mono – Oath

von am 19. Juni 2024 in Album

Mono – Oath

Mono malen auf Oath einmal mehr ihren typisierten Postrock nach wohlbekannten Zahlen. Trotzdem nimmt das zwölfte Studioalbum der Japaner alleine deswegen einen besonderen Stellenwert in ihrem Schaffen ein, weil es eine letzte Zusammenarbeit mit ihrem Kumpel Steve Albini markiert. Dass es auch noch eine ihrer besten seit langer Zeit ist, ist dann umso schöner.

Passend dazu widmet sich die Band um Takaakira ‘Taka’ Goto mit Oath existenziellen Fragen im Leben: „What are we doing here? The year 2020 turned what was once quintessential late-night stoner existentialism into a daily mantra for nearly everyone on this planet. What are we doing with our limited time in this life? What is our purpose? What should we be doing?“ bevor der Albumtitel mit Antworten darauf geklärt wird, die zumindest für Mono selbst naheliegend sind: „We live with a vow that hasn’t changed since we were children. Hear the wind sing. We are part of the universe. We already know what we should do and what the most important thing in life is.

Diesem Eid folgend tut sich ein angenehm hoffnungsvolles und versöhnliches Werk auf, auf dem Mono vordergründig jedoch eben schlichtweg weiterhin das machen, wofür man die Band seit zweieinhalb Jahrzehnten liebt: Sie spiele ihren in epochale orchestrale Arrangements gelegten Postrock entlang wenig überraschender Strukturen und sehnsüchtiger Melodienbögen zu majestätischen, gefühlvollen Crescendos. Der Wellengang aus Laut und Leise, Sehnsucht und Geborgenheit, Optimismus und Melancholie, er funktioniert gleichermaßen als nostalgischer und zeitloser Katalysator.
Nicht weniger – aber diesmal eben doch wieder ein bisschen mehr, weil Oath über weite Strecken das von den jüngeren (niemals schwachen, aber auch keinesfalls begeisternden) Vorgängeralben etablierte Niveau und die daran geknüpfte Erwartungshaltung erst subversiv, dann merklich übertrifft.

Was vor allem an der bestechenden ersten Plattenhälfte liegt, die das Formelheft relativ makellos abpaust. Die eröffneten Passage von Us, Then bis zu Then, Us als Klammer um den Titelsong bildet dabei gewissermaßen eine Suite für sich, treibt in elegischer Anmut durch den Weltraum, bis sich die Szenerie in malerischer Hoffnung und orchestraler Majestät in Bewegung setzt und hinten raus die epische Stimmung mit roh wirbelnden, kantigen Drums (deren Sound wahrscheinlich das absolute Highlight der Produktion von Albini darstellt und elementar für einen in den Nuancen doch individuellen Charakter der Platte ist) ungeschliffen aufgehen lässt, bevor sich ein erhebender Epilog mit seinen Bläsern wieder in der endlosen Weite des Alls verabschiedet.

Run On schraffiert den MO mit ein paar elektronisch in der Distortion scheppernden Drums unter den im Reverb flimmernden Gitarren – was generisch sein könnte, hier aber einen so dynamischen bespielten, ungeschliffen organischen Zauber hat, der selbst über eine vorhersehbare Vertrautheit staunen lässt: ein Highlight! Das Klavier in Reflection bekennt sich dagegen im subversiv traurigen Drama zur Aufbruchstimmung und Hear the Wind Sing setzt seine Reise dort samt sanftem Klimax verträumt fort, bevor Hourglass ein geduldiges, nachdenkliches Durchatmen auf der ambienten Seite des Spektrums ist, wo die Streicherarrangements irgendwann das Geschehen tragen.
Das ist einfach wunderschön – und wo sich grundlegende Sorgen, dass über 70 Minuten Spielzeit als zu lang erweisen könnten nicht zu jeder Sekunde der Platte entkräften lassen, könnte Oath in Momenten wie diesen doch gefühlt ewig weitergehen.

Auf aggressivere Untertöne oder angezogenen Druck weitestgehend verzichtend, dafür aber die Ästhetik von My Story, The Buraku Story einwebend, hat Oath so weit einen geradezu  kontemplativen Umgang mit der eigenen Erfahrung, ruhig und unaufgeregt. Was so lange eine fabelhafte Sache ist, bis sich ein weniger inspirierter Umgang mit der Atmosphäre einschleicht und die Abgeklärtheit zur Routine wird, wo das Songwriting eher mäandert, als zu befriedigen.
Das wahrhaftig angenehme Moonlight Drawing ist nämlich praktisch kaum mehr als ein Mono-Standard, Wind ins Segel aller Stagnations-Vorwürfe und eine unspektakuläre Ladung Glückshormone für die loyale Hochachtung für die Band. Holy Winter dreht sich liebevoll, aber zu repetitiv um sein zentrales, seltsam belanglos wirkendes Motiv, derweil das unendlich vorsichtige We All Shine On bildgewaltig eine kraftvolle und klare Vision darstellt, letztlich aber ziellos bleibt. Dass Time Goes By mit mehr getragener Schwere unter den funkelnden Saiten pendelt und dabei vor allem unterwältigend entlässt, ist durchaus symptomatisch: Mag die Magie von einst auf Oath zwar im Ansatz mittels eines neuen introspektiven Sanftmuts durchscheinen, ist der zum Kitsch neigenen Autopilot der vergangenen Jahre längst in Fleisch und Blut übergegangen und gewinnt im Zweifelsfall über jedwede innovative Perspektive (die sich nach diesem, die jahrelange Zusammenarbeit mit Albini würdig beschließende Farewell, durch die Notwendigkeit, nun einen neuen Produzenten finden zu müssen, vielleicht ja zwangsläufig auftut). Doch damit kann man verdammt gut leben.

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