Mono – My Story, The Buraku Story (An Original Soundtrack)

von am 4. Juni 2022 in Soundtrack

Mono – My Story, The Buraku Story (An Original Soundtrack)

Die Postrock-Institution Mono weicht von ihren gängigen Gepflogenheiten ab, um für My Story, The Buraku Story einen zwanglos ambienten Score zu erschaffen, der das Spektrum der Japaner weitestgehend auf den atmosphärischen Einsatz von Piano, Streichern, Synthies und einigen wenigen lautmalenden Vocal Loops reduziert.

Zu den Hintergründen der Soundtrackarbeit gibt die Band zu Protokoll: „My Story, The Buraku Story is a new feature-length documentary film that explores the discrimination against a group of people – commonly called “the burakumin” – who were classed into lowly groups and segregated from the rest of Japanese society. This discrimination is not by race or ethnicity, but rather by place of residence and bloodline, and has existed for centuries – albeit very rarely acknowledged or discussed in Japan. When director Yusaku Mitsuwaka imagined the exemplary score for such a culturally sensitive and significant subject, he idealized MONO to help tell this story through their legendarily cinematic music.
Vor diesem durchaus bedrückenden Hintergrund haben Mono eine elegisch untermalende Begleitmusik geschrieben, die auch für sich alleine stehend gut funktioniert, wenngleich am liebsten primär passiv konsumierbar. Lässt man sich auf die (ganz objektiv betrachtet schon auch generische, wenig originäre) Bildsprache der instrumentalen Klangwelten ein, kann man sich jedoch erfüllend in ihnen verlieren, da die versammelten 43 Minuten eine ebenso reibungslose wie unaufdringliche Kulisse bilden, um das Kopfkino entspannt und schwermütig, traurig und schön, angenehm imaginativ und auf bekümmerte Weise tröstend zu bespielen.

In einem feinen Fluss arbeitet die Band dabei immer wieder verschieden gerichtete Nuancen des Soundspektrums hervor, variiert die Palette der enorm atmosphärischen Stimmung im homogenen Rahmen und bezaubert auf dezente, unkonkrete Weise mit einem allgegenwärtigen Gefühl der Isolation.
Doumyaku setzt etwa schon zum Einstieg mit seinen ätherischen Stimm-Loops und dunkel entschleunigten Synth-Schleifen den Rahmen für das bedächtige Setting einer Space-Ansicht in Zeitlupe, so mystisch wie naturalistisch, so distanziert beobachtend wie intim nahbar. Gedankenverloren treibt das Szenario ruhig sinnierend jenseits von klassischen Formen und Strukturen, als andersweltartiger Drone/ Ambient auch nicht den gängigen Spannungsbögen und Normen des Postrock folgend – nur das abschließende The Place wird durch den Einsatz der patentierten Tremolo-Gitarren und einem sonst nirgendwo vorkommenden SchlagzeugPostrock-kategorisch an die reguläre Diskografie von Mono anschliessen, jedoch (auch latent aus dem Nichts kommender, ausnahmsweise auf Englisch betitelter Appendix) die Schwachstelle der Platte markieren, weil die asiatische Gruppe hier bestenfalls eine souveräne Klischee-Skizze nach bekannten Standard-Formeln vorlegt.

Zwischen diesen uferlosen Enden gibt es aber eben reichlich Grund, um sich heimlich durch die Vergänglichkeit von My Story, the Buraku Story becircen zu lassen. Watashi hat diesen orbitalen retrofuturistischen Schwermut mit vagen Hoffnungsschimmern der Melancholie, den Songs von 56daysofstatic oft erzeugen, kommuniziert vordergründig mit Streichern und vertikal oszillierenden Keyboards. Kokyo klimpert vor orchestraler Wärme auf der verblassten Erinnerung eines verträumten Pianos – ein Bild, das Yurameki etwas schärfer fokussiert, gedankenschwer Richtung Sigur Rós schippernd. Gohon No Yubi streift elegisch durch die Einsamkeit der Nacht und Kioku verschiebt das Spektrum vom erdenden Tasten-Grundmotiv als Leitfaden zu einer stillen Sehnsucht der Streicher. Im ständigen leichten Aufhellen und Abdimmen von Kattou zieht die tröpfelnden Melodie an und Chinmoku gleitet auf einem entfremdeten Vocalteppich in der Umlaufbahn, hört wie in Trance ein paar Schalttafeln klackern, bevor Himitsu in einer zeitlosen Zwischenwelt schimmert, und Songen meditative Schübe glimmern lässt, um eine fast sakrale Würde auszustrahlen.
An wie viel man sich davon wirklich explizit und langfristig erinnern können wird, sei dahingestellt – für Spaziergänge durch menschenleere Gebiete im Schönklang des Mondlichts bietet sich (das in seiner Funktion als Mood Piece jenseits des Songwritings andere Bewertungsmaßstäbe als reguläre Mono-Studioalben verlangende) My Story, the Buraku Story schließlich ziemlich sicher kein anderes Werk der Tokyo-Institution unaufdringlich an.


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