Mono – The Last Dawn // Rays of Darkness

von am 22. Oktober 2014 in Album

Mono – The Last Dawn // Rays of Darkness

Über die Dauer von ‚The Last Dawn‚ könnte man Mono guten Gewissens daran messen, wie erhaben die Japaner in ihrem Metier abermals agieren – und nicht, wie wertkonservativ sie ihren Postrock hier ausbreiten. ‚Rays of Dawn‚ führt danach allerdings ohnedies vor, dass die Band künstlerischen Stillstand weiterhin aus ihrem Vokabular zu streichen versucht.

Was die kürzere Hälfte und „dunkle Seite“ des Albumzwillings (kein Doppelalbum!) auch zur spannenderen Reise macht. Weil Mono ihr Rezept hier zwar auch nach allen Spielregeln der Genrekunst aufkochen, aber jedem der vier Songs Zutaten beimengen, die den Klangwelten der Band neue Facetten abgewinnen können.
In ‚Surrender‚ sind es beispielsweise die traurigen Bläserwellen, die den Song mit seinem repetitiven Gitarrenmuster zwischen würdevoller Melancholie und feierlicher Geste in die Nähe der aktuellen The Antlers Großtat ‚Familiars‚ treiben lassen; in der eingänglichen ‚East Hastings‚-Verneigung ‚The Hands that Hold the Truth‚ ist es (Spoiler!) der unvermittelt hereinbrechende Envy-Frontmann Tetsu Fukagawa, der Mono mit infernalem Gebrüll nicht nur in Sachen Gesang entjungfert, sondern das Geschehen mit ordentlichem Druck in den reißenden Schlund seiner eigenen Band zieht.
Dass bereits das eröffnende, beinahe viertelstündige und auch alles überragende ‚Recoil Ignite‚ eine bedrohlichere Ausgabe des Postrocks der Japaner abliefert, düster und dunkel bleibt und sich zu einem unter Druck stehenden Monstrum an der Grenze zum Post Metal von Rosetta und Konsorten auswächst, passt da als Rahmen noch besser als das abschließende ‚The Last Rays‚, das als Drone-Noisecollage Unwohlsein im Spannungsfeld der Swans, Sunn O))) und William Basinski erzeugt. Der Wille zu mehr Härte und Nachdruck, er sorgt für die nötigen Kanten, die den doch zu friedlichen ‚Hymn to the Immortal Wind‚ und ‚For my Parents‚ zuletzt abgegangen sind.

Dennoch erschließen sich die 36 Minuten hinter ihren Möglichkeiten. ‚The Hands That Holds The Truth‚ ist weniger durchdringende Symbiose mit Gastsänger Fukagawa, als eine über zwei Passagen gehende Berg- und Talfahrt: erst eine unverrückbare Abbildung der Hohheitsgebiete von Mono, dann eine astreine Trademarkbresche von Eny; ‚The Last Rays‚ hingegen erweitert zwar den musikalischen Horizont der Japaner, kann in fremden Gefilden aber abseits seiner Atmosphärearbeit kein tatsächliches Neuland erschließen, das man anderswo nicht bereits besser serviert bekommen hat. Einen runden Eindruck hinterlässt der Albumfluss von ‚Rays of Darkness‚ in seiner zusammengewürfelt wirkenden Vielfältigkeit dazu nicht.

Die per se schönere, homogenere  Platte ist deswegen auch das weniger aufregende ‚The Last Dawn‚: gerade weil Mono hier näher bei sich selbst sind und im reinen mit ihrer urtypischen Gangart wirken. Die pathetischen Disney-Orchester-Arrangements von ‚For my Parents‚ hat die Bands zurückgefahren, man schwelgt wieder näher am Kern-Songwriting, einzelne Streicherpassagen akzentuieren die intime und filigrane mit sorgsamer Hand. Wenn ‚Land Between Tides and Glory‚ sich zu einer wunderbaren Pianominiatur zurückzieht und ‚Kanata‚ in weiterer Folge das Tasteninstrument immer wieder als grundlegenden Baustein seines klassischen Postrocks (flirrende Reverb-Gitarren, weite Spannungsbögen, wellenförmigen Aufbauten im Wechselspiel aus Laut/Leise, etc., etc.) installiert, funktionieren vor allem die ruhigeren Passagen der Platte mit einer immanenten Eleganz, darumherum sind das tiefe Meere der Melancholie.
Natürlich ist das dabei gleichzeitig ein relativ überraschungsarmer Zyklus in der eigenen Komfortzone der Nachdenklichkeit  – wie in seiner Versiertheit eben auch Ausdruck der mühelosen Klasse, mit der die Japaner ihre Szenarien malen. Gemessen am Postrock-Einerlei der Konkurrenz haben Mono ihre Nase dabei immer noch voraus – dass sie in der Vergangenheit selbst allerdings schon weitaus spannender, bezaubernder und eindringlicher gespielt haben, vergisst man während der einnehmenden 49 Minuten beinahe: eben, weil Epen wie ‚Elysian Castles‚ weniger langweilen, als das sie mit ihren herzerwärmenden Melodielinien streicheln oder ein ‚Where We Begin‚ ab der Hälfte derart erhaben aufmacht, dass der Grower ‚The Last Dawn‚ doch schlicht einfach so vieles im Genre-Radius richtig macht.
Sich in den Entwürfen von Mono zu verlieren lohnt sich – vor allem in der richtigen Stimmung  – abermals. Die Schnittmenge aus klassischer Zuverlässigkeit ohne Pflichtgefühl und eines durchwegs ambitionierten, aber seine PS nicht restlos auf den Boden bringenden Expansionsgedankens ist im Gesamtpaket eine entzückende, tröstende und betörende Aufarbeitung der Dinge zwischen Rückblick und Aufbruchsstimmung. Der Spagat zwischen den Dingen, die man als Genrefan so sehr an den Japanern wertschätzt und ein Ausblick auf die Frischzellenkur, die Mono doch seit längerem benötigen.

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