Mogwai – KIN
KIN, das Science Fiction-Langfilmdebüt (und gleichzeitige Remake des hauseigenen Bag Man aus dem Jahr 2014) von Jonathan und Josh Baker, holt sich aktuell bestenfalls durchwachsene Kritiken ab. Der dazugehörige Soundtrack von Mogwai darf sich aber vollkommen zu Recht feiern lassen.
Der Postrock der Schotten passt freilich per se ganz wunderbar als untermalende Klanglandschaft für imaginäre wie tatsächlich existierende visuelle Bilder, weswegen die Auftrags-Score-Arbeiten des Quartetts sich auch seit jeher weitestgehend nahtlos in die Stafette aus regulären Studioalben einfügen. Um nur die jüngere Vergangenheit zu bemühen: Der Niveauunterschied zwischen Les Revenants und Rave Tapes oder Atomic und Every Countr’s Sun weist jedenfalls keine allzu großen Amplituden auf.
Auch KIN folgt dieser Reihe nun, hebt die Qualität aber noch einmal um ein kleines Quäntchen über wahrscheinlich beinahe alles, was Mogwai im vergangenen Jahrzehnt ablieferten. Schwer zu sagen allerdings, ob das nun aber daran liegt, dass die Band (hier übrigens nominell offenbar als Trio ohne Drummer Bulloch auftretend) über die versammelten 42 Minuten trotz der Routine schlichtweg ein wenig befreiter, spielerischer, fokussierter und gelöster klingen, als auf ihren handelsüblichen Alben-Diskografie, ob es daran liegt, dass KIN tatsächlich der erste Film-Soundtrack der Schotten ist, oder ob die individuelle Wirkungkraft einzelner Songs intensiver mit der Imagination kommuniziert.
Letztendlich bewegen sich Mogwai dafür jedenfalls gar nicht so weit aus ihrer Komfortzone, wie Stuart Braithwaite das zu sehen scheint („It was amazing to do a project that was so different to anything we’ve done before and see how our music fits in a totally different environment to how it’s been used before.„), sondern verstärken vor allem den Neonfaktor in den Kompositionen und erheben den Synth aus den subtil unterstreichenden Nuancen heraus immer wieder zum tragenden Kontrastmittel.
Eli’s Theme baut zunächst jedoch noch auf eine gänzlich klassische Mogwai-Melodie am Klavier, melancholisch getragen und sehnsüchtig in die einsame Dunkelheit sinnierend, leitet aber damit absolut homogen zu Scrap ein, das mit vorsichtigen Schlagzeugspiel, ambienten Klangflächen und leise flimmernden Postrock-Gitarren ein unmittelbares, überwältigendes Gefühl der All-Weite ala 65daysofstatic entwickelt, welches im folgenden, digital pluckernden Wesen von Flee noch einmal verstärkt wird, bis zu seinem industriell-maschinell abklingenden Finale. Es ist auch dieses Zusammenspiel aus enormer Kurzweiligkeit, atmosphärischer Tiefe, stimmungstechnisch einnehmender Dichte und makelloser Homogenität, die KIN trotz der gewohnten Klasse von Mogwai noch einmal zusätzlich strahlen lassen.
Songs wie der zurückhaltend ausgebreitetende Minimalismus von Funeral Pyre oder das episch-sphärische, Sunshine-artige Glimmern Donuts mit seiner wuchtig die Augen schließenden – und am Ende bei [amazon_link id=“B00005AQCB“ target=“_blank“ ]Rock Action[/amazon_link] landenden – Kraft rekonstruieren insofern zwar weitestgehend bekannte Praktiken und Sphären, erschaffen aber gerade im Verbund eine unwiderstehliche Ausstrahlung.
Dass KIN den dezenten Spannungsbogen im dritten Viertel (um die das Piano als reduzierte, aber zu vergänglich wirkende Atempause nutzende Elegie Miscreant; dem wunderschönen, jedoch mäandernden Standard Guns Down; sowie dem Titeltrack, der mit aller Zeit der Welt stoisch-repetitiv funkelt, um den vorbereitenden Steigbügelhalter zu geben) also noch weiter zurücknimmt und sich ein wenig zu gedankenverloren auf Autopilot in den sphärischen Weiten der Platte verliert, spielt deswegen auch spätestens dann keine Rolle mehr, wenn Mogwai hinten raus noch einmal zur vollen Großartigkeit anschwellen: Das feierliche We’re Not Done (End Title) destilliert mit flotten Drums, poppigen Gitarren und lieblich-verwaschenem Gesang die zugänglichste (Shoegaze)Seite der Band und hebt hemmungslos in eine erbauende Ausgelassenheit ab. Nicht erst hier hat man den Eindruck, dass Mogwai all die stilistischen Intentionen der vergangenen Jahre niemals bisher derart prägnant artikuliert haben, wie auf KIN.
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