Modern Life Is War – Fever Hunting
Keine Behauptung, für die es sich weit aus dem Fenster zu lehnen gilt: Modern Life is War und vor allem ihre Blaupause ‚Witness‚ haben der aktuellen Elite des jungen, modernen, melodischen Hardcore rund um Touché Amoré, Defeater und Konsorten mitunter den Weg geebnet. Nach unzähligen Durchgängen eigentlich ebenso wenig streitbar: ‚Fever Hunting‚ ist nur unwesentlich weniger stark als der monolithische Band-Zenit von 2005 ausgefallen und zumindest das zweitbeste Album der wiederbeleben Karriere der Band aus Iowa.
Hand aufs Herz: dass bei dieser Reunion etwas hätte schief gehen können, schien grundsätzlich abwegig. Zwar mussten Modern Life is War einerseits mit vereinzelten Unkenrufen aus dem Dunkeln antreten, ihr Comeback wohl durchdacht auf der Welle des Erfolgs anzutreten, die ihre jungen Nachfolger losgetreten hatten – andererseits, und weitaus schwerwiegender, war da aber wohl die Bürde gegen eine (nahzu) makellose Discographie (das durchwachsene, aber immer noch starke ‚Midnight In America‚ als schwächelnder Faktor gerechnet) im Rückspiegel anzutreten, die dem Quintett in Szenekreisen zwischen 2002 und 2008 von bedingungsloser Zuneigung bis hin zu gottgleicher Verehrung alle Formen des Wohlwollens einbrachte.
Beiden potentiellen Stolpersteinen begegnen Modern Life is War auf die denkbar beste Art und Weise. Erstens klingen Platten, die aus reinem kommerziellen Kalkül aufgenommen wurden niemals derart leidenschaftlich, intensiv, zwingend und mitreißend wie ‚Fever Hunting‚ es tut. Und zweitens wird das vierte Studioalbum der Band seinen Vorgängern genau deswegen spielend gerecht, serviert anstandslos das, was Modern Life is War immer schon so perfekt konnten: emotionalen Hardcore mit reichlich Melodien, rasender Wut im Bauch und brennendem Herzen auf der Zunge.
Nach dem spannungsladen stampfenden Eröffnungs-Mantra ‚Old Fears New Frontiers‚ stellen Modern Life Is War – optimal unterstützt von der klassisch dick aus den Boxen hämmernden Kurt Ballou/Godcity-Produktion – ohne Umschweife klar, dass ihr Händchen für packende Genrehits vielleicht niemals so treffsicher eingestellt war, wie in ihrem zweiten Leben: zumindest zwei Drittel der Platte bewerben sich unmittelbar zündend um einen theoretischen Single-Platz.
Einen derart geerdeten Midtempo-Punkrock-Ohrwurm wie ‚Health, Wealth & Peace‚ etwa bekommen Rise Against wohl nicht mehr zustande, ‚Media Cunt‚ ist knapp darauf ebenso nicht weniger, als ein mit kraftvollen Drums befeuerter, Funken sprühender Hit. Auch der Titelsong fährt zwischen hämmernden Emotionen und geschmeidigem Oldschool-Flair einen Killerrefrain sondergleichen auf, während der rollende Groove von ‚Dark Water‚ Modern Life is War als lichtverzehrende, tiefdunkel schwitzende Rock’n’Roll-Band zeigt. ‚Cracked Sidewalk Surfer‘ setzt auf seiner punkigen Überholspur hingegen auf eine surfende Leadgitarre sowie Gift und Galle im kratzenden Chorus. Das alles ist überrschenderweise deutlich weniger heavy als der Vorgänger ‚Midnight in America‚, dafür aber rockiger, eingängiger, auch sportlicher und weitaus dynamischer im Fluss.
Mehr Raum benötigt die Deathwish-Bank hingegen für ein ‚Blind Are Breeding‚, in dem sich kompakte Riffs in einem majestätischen Gitarrenmeer ausbreiten, oder wenn sich ‚Chasing My Tail‚ mit langsamen Distortion-Riffs zu einer Soundwalze aufbaut, für die es in den letzten 90 Sekunden kein Halten mehr gibt – der Song mit Gangshouts aufs Gaspedal tritt und alles niederreißt.
Dass das abschließenden ‚Find A Way‚ als Epilog dann beinahe verhalten erscheint, liegt weniger daran, dass der Song weniger stark wäre als der Rest, als vielmehr an der Tatsache, dass ‚Fever Hunting‚ zu diesem Zeitpunkt seinen alles überstrahlenden Höhepunkt mit dem brillanten Doppel ‚Brothers In Arms Forever‚ und ‚Currency‚ bereits hinter sich hat. Ersterer ist ein verzweifeltes, intensives Bekentnis mit zugeschnürter Kehle, ein wütender Schulterschluss, und würde wohl als direktester Anwärter auf den Platz der Hymne der Platte durchgehen – wäre dieser letztendlich durch zweitere Nummer besetzt. ‚Currency‚ beginnt verhältnismäßig ruhig und steigert sich in einen Rausch, explodiert am Ende vor Eindringlichkeit, am Höhepunkt, auch dem Zenit der Platte: „Your friends are precious & they’re slipping away/ Your time is precious & it is slipping away“ schreit sich ein in Bestform befindlicher Jeffrey Eaton die Seele aus dem Leib, und Modern Life is War verschwenden wahrlich keine Zeit mehr.
Alte Tugenden werden atemlos in die Gegenwart transportiert, klassischen Zutaten der Vergangenheit ein zeitgenössisches Update verpasst, ohne sich auf erwirtschafteten Lorbeeren auszuruhen oder an neuen Kniffen zu sparen. Weswegen ‚Fever Hunting‚ gleichermaßen nahtlos an ‚Witness‚ anschließt, wie Modern Life is War auch als eine in ihrer Abwesenheit gewachsene Band ablichtet. Dass diese Reunion kaum schief gehen würde, davon durfte man aber eben nicht nur mit Fanbrille beinahe selbstverständlich ausgehen, als sich das Original-Lineup der Band im September 2012 im Keller von John Eich unter ungezwungenen Bedingungen wieder zusammenzuraufen begann.
Dass ‚Fever Hunting‚ Modern Life is War jedoch praktisch aus der Gefrierkammer heraus prompt wieder an die Spitze der Relevanz in der Szene katapultieren würde, perfektioniert eine der stärksten Comeback-Geschichten der jüngeren Hardcore-Geschichte.
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1 Trackback
- Modern Life is War - Tribulation Worksongs Vol. 1 - HeavyPop.at - […] fünf Jahre nach dem großartigen Comebackwerk Fever Hunting (2013) starten Modern Life is War mit dem Tribulation Worksongs-Zyklus die…
Ellen - 3. September 2013
Tolle Rezension!
Oliver - 9. September 2013
Besten Dank!