MJ Guider – Temporary Requiem
MJ Guider vollendet mit Temporary Requiem eine über Sour Cherry Bell begonnene und mit Mantanzas fortgesetzte Trilogie als experimentellen Avantgarde/ Drone-Soundtrack.
Als Abschluss dieser Phase im Leben von Melissa Guion ist Temporary Requiem mit seinen Wurzeln im Jahr 2018 tatsächlich sogar als erstes der drei Werke entstanden – als Konzept- und gewissermaßen auch Auftragswerk: „Temporary Requiem is a mass for dance – the music score to “Known Mass. No. 3: St. Maurice.” A collaboration with dance maker and choreographer Ann Glaviano (a deep, dear friend since our time together in plaid kilts at a catholic high school for girls in New Orleans), it utilizes heavily dissected and altered passages of the traditional Latin requiem mass as the accompanying text across 6 movements. As the mission of “St. Maurice” is to build and break down a lost church over the span of the performance, the music serves to help transport „the congregation“ to this dreamworld.“
Im Gegensatz zu den Pop-Tendenzen von Sour Cherry Bell ist Temporary Requiem auf Drone-Segmenten und Loops sowie minimalistisch instruierten Drummachine-Beats erschaffen jedoch wieder eine Besinnung auf MJ Guider als Ambient-Wesen – angereichert durch klerikale Nuancen.
In Kyrie: The Stained Glass Windows in Their Original Order läuten etwa Kirchenglocken in der Ferne, hinter der wellenförmigen, meditativ halluzinierenden Soundwelten. Spät schickt Guion abgedämpft wummernde Rhythmen (aus der Nähe von Portisheads Third) und einem subkutan-repetitive Bass-Groove in das Geschehen, über deren Physis sich die Türen der Wahrnehmung jenseits der Monotonie öffnen. Irgendwann hallt auch die Stimme als maschinelle Klangfarbe rezitierend in den Kosmos, analytisch und instinktiv öffnet sich der Opener als Trichter. Gloria: Small Dance of Gratitude schimmert mystisch und geduldig, ist eilig und gleichzeitig sedativ, zeigt eine subversiv antreibende Spannung in der Trance eines Zeitlupen-Trip, begeht den Abstieg in den Kaninchenbau mit elegischem Horizont.
Credo: Here and Gone lädt als düster-psychedelisches, programmatisches Ritual am wehenden Abgrund ein, und Sanctus: A Falling Dance zeigt die Kirchenkanzel als sakrales Interlude erst im diffus-phasenverschobene Nebel, wechselt seine Gestalt dann auf eine klarere chorale Form, die zudem das Können von Guion als Sängerin deutlich wie selten zeigt. In (dem titeltechnisch hinsichtlich der Referenz irgendwo ja aufgelegten) Agnus Dei: Large Dance Acknowledging the Ephemerality of All Things erinnert ihre Intonation aufgrund der weihevollen Theatralik gar an LINGUA IGNOTA, während sich die Ästhetik selbst zum minimalistischen LoFi-Postpunk verschiebt.
Am stärksten ist dennoch Benedictus: Tribute to Leviathan, Her Ancestors, and Her Progeny – ausgerechnet das einzige im Nachhinein entstandene Stück, geboren aus einem spontanen Jam. Hier zaubert MJ Guider einen mystisch-majestischen Drone, eher erhebend als plättend, wie eine kompakte Skizze der Lehren von Sunn O))).
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