מזמור (Mizmor) – Cairn
A.L.N. bleibt der vielleicht ganzheitlich agierendste Alchimist am Thron aus Black Metal, Drone und Doom, der selbst in der bereits ohnedies so imposanten Geschichte von מזמור aka Mizmor seine vermeintlich gegensätzlichen Pole noch nie derart formvollendet als kohärente Einheit verschmolzen hat, wie auf Cairn.
Es hat durchaus Symbolcharakter, dass das abschließende The Narrowing Way, nachdem der Closer als finaler Songmonolith ohne Zeitgefühl aus der Zurückhaltung in einen Doom erblüht ist, der den Finger mit der Grandezza von UN oder YOB über die garstige Katharsis von Thou in offene Wunden legt, als würden Electric Wizard über tiefgründige Befindlichkeiten des Existentialismus entlang psychedelisch gequälter Leads sinnieren, anstatt sich die Birne okkult überhöht wegzukiffen, letzten Endes in der aufgewühlten inneren Drone-(Un)Ruhe seine Auf- und auch Erlösung findet – während die vorangegangenen drei Epen von Cairn in der nachdenklichen, melancholischen Wehmut der Akustikgitarren ausklingen.
A.L.N. ist über die gewisse Formelhaftigkeit, die das Schaffen von Mizmor auf den bisherigen zwei Studioalben (und in Ansätzen auch noch auf Cairn) doch auch stets ein wenig in Griffweite behielt, zu guter Letzt hinausgewachsen, stereotype Verhaltensmuster scheinen endgültig überwunden; der Mann aus Portland hat wohl sogar durch das am wenigsten mit sich selbst Frieden geschlossen habende Ausklang der vier Nummern von Cairn über überrschend kurzweilige 58 Minuten ein Stück weiter zu sich selbst gefunden.
Dafür hat A.LN. die Weichen weit im Voraus gestellt, seinen Job gekündigt, um sich vollends auf die Auseinandersetzung mit dem Konzept hinter Mizmor im Allgemeinen und Cairn im Speziellen einlassen zu können, und für die bisher am saubersten ausformulierte Produktion seiner Karriere hart an Details geschraubt.
„I recorded the album over the course of three months in my home studio. I took the long way, sparing no expense or detail in my recording. I sought to take the project to a new territory tonally, starting with my education. I won’t get into too much detail lest I bore the majority of you, so I will leave it simple: this is the highest resolution recording of the most thoroughly written and rehearsed Mizmor material there’s ever been. I was purposefully the pickiest I’ve ever been with myself at all stages of this album’s production and coming through the other side, I’m extremely happy with the result. I’m incredibly honored and thrilled to again have worked with Sonny DiPerri and Adam Gonsalves). Together, the three of us crafted the sound of „Yodh“ and have now taken „Cairn“ well beyond the prior’s sonic limits. I am also floored by the final product of the extremely personal commissioned painting by Mariusz Lewandowski. Continuing in the vein of the polish surrealist master, Beksinski, Lewandowski has beautifully interpreted the theme’s of „Cairn“ into his painting „Time Immemorial,“ which sprawls to grace both covers of the album.“
Und ja: Schon wieder eine Metal-Platte mit einem Lewandowski-Gemälde als Cover ausgetsattet zu sehen, so wunderschön es auch abermals sein mag, hat mittlerweile etwas beinahe fließbandartig genormtes, regelrecht unkreatives an sich.
Dass Bell Witch mit ihrer über das Genre hinausgehenden stilbildenden Artworkwahl für ihr drittes Studiowerk sich aber so auch zwangsläufig als Referenz aufdrängen, passt dann angesichts der vergleichbaren Größe der beiden Platten zumindest nicht nur ästhetisch, sondern auch vom Gewicht und der Gravitation her, in gewisser Weise auch inhaltlich. Wie Mirror Reaper (2017) ist Cairn schließlich ein Album, das einen Verlust verarbeiten möchte und Abschlüsse sucht: Für den seit dem selbstbetitelten Debüz 2012 vom Glauben abgefallenen A.L.N. ist es der Aufbruch, der eine Perspektive zwischen einem zurückgelassenen Gott und dem menschlichen Wahnsinn im Leben ohne Religion finden lassen soll.
„Cairn is an emotional exploration of the absurdity of life – man’s constant search for meaning in a chaotic universe devoid of an ultimate purpose. This absurd premise prompts the individual to choose between a leap of faith into an ultimate purpose, suicide, or acceptance of reality. „Cairn“ asserts that there is but one viable option, acceptance, and that one must build monuments to the other two as guide posts forbidding return. It declares that one must revolt and live in the present face of this absurdity and create in enjoyment the meaning necessary for life.“ erklärt A.L.N. und vertieft die Hintergründe der inhaltlichen Ebene unter anderem in einem empfehlenswerten Interview/Gespräch mit Emma Ruth Rundle.
Cairn drückt diese Diskrepanz und Ruhelosigkeit nun stilistisch nicht durch Zerissenheit oder gar ein unetschlossen taumelndes Verlorensein aus, sondern durch eine imposante Homogenität, der nahtlosen Kombination der Pole Doom und Black Metal – also auch aus der Dualität zweier Genres, die Geschwindigkeitstechnisch kaum weiter voneinander entfernt sein könnten. Diese Verbindung ist kein Kompromiss, keine Assimilierung, sondern eine beeindruckend ausbalancierte Symbiose, deren Wechselwirkung und Dynamik einen erhebenden Zyklus in ständiger Entwicklung formt.
Desert of Absurdity gönnt sich ein wunderbar verträumt gezupftes Intro, bevor Blastbeats und eine eingängige Melodie mit freigiebigem Tremolo wachsen, False oder Yellow Eyes sind nicht weit. Doch A.L.N. remst die Nummer bald in klassischen Doom mit garstiger Kante aus, dehnt das Motiv auf, ordnet es in der Breite neu. Epische Slo-Motion a la Pallbearer wandert mit grabestief röchelnden und martialisch growlenden Vocals hymnisch durch den Morast, irgendwann kehren die jubilierenden Leads zurück, wo sich der Kreis am Ende ohnedies schließt und der Opener verändert zur zurückgenommenen Anmut seiner Einleitung zurückkehrt, offene Feedbackakkorde im Hintergrund nun zur cleanen Nachdenklichkeit kaum greifbar nachhallen.
Cairn to God wurzelt dagegen im Ambient, der in schriller Wucht aufplatzt. Gepeinigte Schreie ziehen sich durch den Äther, die Gitarren malträtieren sich zum schleppenden Rhythmus und zu gespenstischen Ahnungen davon, was ergebende Chöre sein könnten. Stattdessen schleift sich A.L.N zu einer selbstkasteienden Geißelung, wie Primitive Man das lieben, weswegen der erste der beiden Quasi-Titelnummern zur Mitte hin bereits mit solch einer schonungslosen Kompromisslosigkeit ausgeblutet zu sein scheint, die Katharsis bis zur Aufgabe gefoltert wurde, der Funeral Doom als transzendentaler Drone glimmert – bis Mizmor mit geradezu optimistischer Grandezza wie der Phoenix aus der Asche entsteigen, sich langsam erheben, A.L.N. unbeugsamen Kampfwillen zeigt, immer weiter aufrichtend, doch das Kapitel so typisch wie geborgen in aller Stille dieser ruhende Schönheit akustischer Schlichtheit beschließt.
Auch inspiriert durch Camus‘ Mythos des Sisyphus strahlt Cairn generell eine Klarheit aus, die einen neuen Zenit im Schaffen von Mizmor markiert: „There’s no god anymore, I’m the driver. But the idea is that I’m really disappointed with what reality really is. I’m king now but under grave circumstances.“ erklärt A.L.N. und thront mittlerweile folgerichtig in seinem eigenen Hohheitsgebiet vor gigantischen Wegpunkten, nur unweit ikonisch aufwühlender, majestätisch überwältigender Magie, die hiernach jedoch erreichbar scheinen. „In my mind these are fucking huge stacks of rocks. It’s gotta be huge if it marks the death of god. But that is the album title in a nutshell. And I think the album itself to me is one of those. Kind of has this deeper level to it, the existence of that record to me is my own personal cairn.“ Man kann auch weitergehen: In seinen besten Momenten ist das Mizmor-Drittwerk gar für ein imposantes Mahnmal zwischen den Genres gut.
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