Mirar – Ascension
Streng genommen machen Mirar auf ihrem wenige Stunden nach dem Jahreswechsel veröffentlichten ersten Studioalbum Ascension wenig anders, als auf (den seit Mitte 2023 veröffentlichten Singles sowie) ihrer Debüt-EP im Vorjahr.
Eine seltsam zeitgeistige Symbiose aus glitchendem Djent mit Dubstep-affinen EDM-Verhaltensmustern also, die so klingt, als wäre das aus Marius Elfstedt und Leo Watremez bestehende französische Instrumental-Duo eine auf Thallstep konditionierte KI.
Einzig: was auf Mare (trotz einer entfachten Euphorie in der Szene) einfach nicht funktionieren wollte, weil es als relativ emotionsfreie Kopfgeburt nahe der Tech-Demo angelegt schien, zündet nun, auf Albumlänge (auch wenn sich bei schon zu langen 49 Minuten doch irgendwann gewisse Ermüdungserscheinungen einstellen) plötzlich. Am Stück genommen fesselt Ascension als posthumane Mutation durch seinen Konsequenz, und ein Pacing und Sequencing, das eine kurzweilige Abwechslung zum Einklang mit einem übergeordneten Plan für den Weg der Band bringt, wo bisher eine wahllose Willkür zu herrschen schien.
Der Score-Einstieg mit Couronne etabliert die sinfonischen Texturen der Mirar-Signatur und Mauvais œil konzentriert sich (erst hibbelig, dann zäh) auf die texhnoiden Club-Tendenzen im für Vildhjarta-Fans maßgeschneiderten Sound, während die massiv stampfende Heaviness von Charnier an einem aus dem Nichts kommenden Piano-Traum eine griffige Melodie aufhängt. Faux-Amis könnte die Brücke zwischen Slipknot und Spineshank in Form eines Skrillex-Remix sein, während die somnambulen, neoklassizistischen Texturen ebenso Raum zum Durchatmen schaffen wie das ambiente Finale von Tombe.
Wegen Phasen wie diesen lässt auch ein Présage kaum auf Durchzug schalten, selbst wenn alles Menschliche entfernt, und reine technische Präzision schrubbt und fiept und quietscht. Zu Beats, die eigentlich weitaus weniger vertrackt sind, als es scheinen mag, sondern weitestgehend sogar ziemlich prollig im 4/4-Takt arbeiten. Der Fluss der Platte kaschiert dies aber eben gut.
So tauchen bereits in Épreuve schöngeistige Texturen auf, werden immer markanter im Gehake, bis die kammermusikalischen Soundtrack-Komponenten in Sur ses épaules dominant Raum zum Atmen schaffen.
Danach geht das Duo vollends im Thallstep auf, mischt stressigen Industrial ins Gefüge (Failles), bevor sich die Platte langsam zurück in die Melodramatik bewegt und mit Ma pierre als überzeichnete Metal-Groteske durch den Ballsaal schreitet. Warum Saint Matthieu danach keine Nine Inch Nails/ Reznor & Ross-Imitation als Outro sein will, ist bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar – dass Mirar den Bogen um Ascension aber nur mit mit einem redundanten Mehr-vom-Selben schließen, zeigt dennoch, dass Maß und Ziel auf diesem Debüt noch nicht perfekt eingestellt sind.
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