Miles Kane – Coup de Grace

von am 18. August 2018 in Album

Miles Kane – Coup de Grace

Sicherlich nicht der Gnadenschuß für die Karriere des Engländers: Knapp eine Dekade nach dem Ende der Rascals hat Miles Kane sich mit Jamie T als neuen Songwriting-Buddy zusammengetan, um von John Congleton in Kalifornien zehn stromlinienförmige Konsens-Ohrwürmer für das Formatradio produzieren lassen, die sich ungeniert durch die Musikhistorie zitieren.

Fünf Jahre ist es her, da warnte Kane auf seinem zweiten Soloalbum noch Don’t Forget Who You Are. Auf Coup de Grace, benannt nach dem Finishing Move seines Lieblings-WWE Wrestlers Finn Bálor, scheint sich für den 32 Jährigen eher die Frage zu stellen, in wie viele verschiedene Rollen er schlüpfen kann.
In Too Little Too Late zeigt Kane etwa anhand eines simplen, schmissigen Rockers, der seinen Riffs pompösen Schub gewährt, was er aus dem Hall heraus schmachtend von Alex Turner und Supergrass gelernt hat, während die erste Single Cry on My Guitar nicht nur stimmlich durch und durch (auch erfolgreich) Marc Bolan imitiert: Ballroom Blitz, Shalalala, Handclaps und stompend-geduldige Grandezza, willkommen im Glam. Loaded ist danach der einzige Song, der es aus den gemeinsamen Sessions mit Lana Del Rey auf die Platte geschafft hat. Wo die Sepia-Göttin kaum bemerkbar im Hintergrund verschwindet, klingt die gefühlvolle Entschleunigung mit ihrem Retro Flair, dem Stooges-Klavier in Zeitlupe und sanften Chören jedoch eher wie ein George Harrison-Kleinod, das hinten raus die große Geste wagt, ohne zu erdrücken.

Überhaupt zeigen gerade die gedrosselten Szenen überzeugend auf. Das süffig-verträumte Killing the Joke schwebt mit Akustikgitarre und spacigen Synthies in den Kosmos der Beatles, hätte so auch gut auf Tranquility Base Hotel & Casino der Arctic Monkeys gepasst. Mit Wrong Side of Life gibt es die charmante Vorgabe für The Coral in Form einer energischen Beat-Rekontruktion samt soulig-beschwörender Inbrunst-Haltung von Gockel Kane, bevor des etwas eindruckslose Shavambacu flapsig der Ausklang der Lounge-Party im Geisterhaus zelebriert.
Markanter – und auch dezent aus dem (angesichts der theoretischen Inhomogenität doch erstaunlich kohärent daherkommenden) Rahmen fallend – ist da schon der Titelsong: Ein reduziert inszenierter, aufgeräumt stacksender Disco-Schmeißer mit lasziven Gestus und einem infektiös-direkten Refrain, dem man sich nicht entziehen kann. Ganz egal, dass die funky Nummer zwischen den supercatchy-kämpferischen Schlachtrufen ein wenig zu viel Spielraum lässt, um auch ohne schlechtes Gewissen oder relevantes zu verpassen aufs WC tanzen zu können – das macht Spaß und hält sich auch länger im Gedächtnis als ein Gros der Platte, das direkt nach dem Konsum zugegebenermaßen kaum nachhaltige Eindrücke hinterlässt.

Cold Light of the Day gibt dagegen den schnoddrigen kleiner Rocker mit scharfkantigem Groove und Vintage-Orgel, als wären The Horrors direkt nach ihrem Debüt zu den seligen Paddingtons abgebogen – auch wenn die füllige Produktion hier freilich keinen tatsächlichen Schweißgeruch erlaubt. Auch das etwas zu zwanglose Silverscreen zeigt, dass ruppig-(pseudo)rauer Rock’n’Roll nicht unbedingt die Schokoladenseite von Coup de Grace darstellt, wenn Kane zu krähen versucht wie Lennon. Trotzdem: Sobald der primär auf den dringlichen Bass und Drums setzende Song im Chorus sinister flüsternd zu croonen beginnt und der Fuzz schiebt, ist das rundum solide – vielleicht können die Rocker der Platte mit ein bisschen Schmutz unter den Fingernägeln auf der Bühne zudem doch noch zu kurzatmigen Brechern mutieren.
Was dann im weiteren Sinne ebenso auf Something to Rely On zutrifft: Postpunkig zackige Gitarren geben aus dem England der frühen 2000er heraus Gas, führen aktuelle Ausflüge von Maximo Park und Bloc Party aber dennoch nicht vor, weil der flott schrubbende Refrain trotz aller Highway-Freiheit ein bisschen zu konventioneller Standard ist – und damit symptomatisch dafür steht, dass Kane stets die letzten Meter zum Geniestreich fehlen.

Trotz derartiger Schönheitsfehler hat Kane nach den Vorgängern allerdings nichtsdestotrotz merklich die richtige Schritte eingeleitet, indem er an der bisher so frustrierend schwankenden Hit or Miss-Qualität seines wankelmütigen Songwritings gearbeitet und nun eine konstant abliefernde Platte mit zehn (Semi-)Hits – oder zumindest ebenso vielen unbedingten Ohrwürmern mit überschaubarer Halbwertszeit –  zustande gebracht hat: Coup de Grace kommt in einer wunderbar kompakten halben Stunde praktisch ausfallfrei daher, lebt gerade auch von der abwechslungsreichen Dynamik und Bandbreite seiner Ungebundenheit und tobt sich im referentiellen Zitatereigen kurzweilig aus, obwohl sie den unmittelbaren Unterhaltungswert doch über tatsächliche Emotionen stellt, die über das Momentum nachwirken könnten. Das funktioniert, weil man immer noch den pomadigen Charakter der Urheber hinter der Variabilität erkennt, die Platte eher sprunghaft und lebendig, als beliebig und austauschbar konstruiert wirkt.
Letztendlich gelingt Kane so eine potente Single-Schleuder mit überschaubaren Mehrwert aber einigen Highlights; ein rundum gefälliges, leicht zu konsumierendes Formatradio-Futter ohne störende Ecken und Kanten, in dem abgeklärte Routine durchaus frisch und unverbraucht in Szene gesetzt ist. Kane mag als Schüler von Paul Weller, Alex Turner und Co. insofern zwar weiterhin nicht für eigene Klassiker gut sein, souveräner hat er sich mit stabiler Konsequenz aber auch noch nicht in einer geschickt reproduzierten Baukasten-Alterslosigkeit gesuhlt.

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