Mikal Cronin – MCIII
Es ist durchaus erlaubt zu mutmaßen, dass man ‚MCIII‚ auf lange Sicht wohl ähnlich schnell vergessen haben könnte wie schon seinen herrlichen Vorgänger ‚MCII‘. Das macht aber alleine deswegen nichts, weil Michael Cronin mit seinem wunderbaren Gespür für Melodien zumindest wieder mühelos durch den nächsten Sommer tragen wird und mit breiterem Instrumentarium ausgestattet dazu auch sorgsam daran arbeitet als Songwriter zu wachsen.
Mit einigen dezenten Korrekturen könnte man im ersten Moment gar dazu tendieren, den Text zu ‚MCII‚ zu weiten Teilen einfach hierher zu kopieren. Dabei hat sich soundtechnisch in den letzten zwei Jahren doch ein wenig getan, ist ‚MCIII‚ letztendlich doch klar eine klassische „Mehr„-Platte geworden, die nach dem Durchbruch das Spektrum erweitern möchte: Der Hang seine Songs hörerfreundlich in die Breite zu verlagern war schon vorhanden, nun nützt der 29 Jährige die sich rund um die gewachsene Beachtung aufgetanen Ressourcen nur zu gerne. Gleich das überwältigend unkompliziert jubilierende Highlight ‚Turn Around‚ inszeniert Cronin so vor rumpelnden Rhythmus mit eleganten Streicherwolken, er singt so versöhnlich, als würde Kurt Vile mit den Thee Oh Sees einen Song der Shins streicheln, macht also im Grunde beinahe nahtlos aber mit abgerundeteren Ecken dort weiter, wo ‚Piano Mantra‚ aus ‚MCII‚ entlassen hat.
‚MCIII‚ ist weniger kratzbürstig ausgefallen als noch ‚MCIII‚, gibt sich glatter, zugänglicher, aber auch ernsthafter im größeren Klangbild. Es finden nun mehr Streicher und Bläser in geschickt dosierten Ausmaß Platz, was dem enthusiastischen Rock zwar phasenweise allzu konzentriert mit der typisch Cronin’schen Leichtigkeit konfrontiert, bisweilen sogar auch mit einer freundlichen Beliebigkeit anzureichern droht und die 39 Minuten weniger unbeschwert wirken lässt als das anstandslosere ‚MCII‚ – die Kompositionen gleichzeitig aber auch an ihren gestiegenen Ansprüchen wachsen lässt.
Dass das konsequent betitelte Drittwerk des Amerikaners generell ambitionierter agiert als seine Vorgänger, lässt sich dann auch schon alleine anhand der Trackliste erahnen: praktisch die komplette zweite Plattehälfte will sauber durchnummeriert als durchgehende Konzept-Glückswelle durch Cronins Welt aus zündendem Powerpop, schmissigem Garagerock und sanftmütigem Indie verstanden werden, ausgestattet mit großem Gefühl für unkomplizierte Melodien und Harmonien, auch, wenn die einzelnen Bestandteile eher lose aneinandergereiht, denn wirklich luftdicht zur Rockoper verschmolzen wirken.
‚i) Alone‚ kriecht da aus dem Orchestergraben zum Lagerfeuer, ‚ii) Gold‚ ist einer der wenigen dampfenden Geraden, die noch direkt ins Revier von Ty Segall drücken. Stichwort Segall: der Einfluss seines alten Kumpels bricht auf ‚MCIII‚ seltener hervor, auch wenn das stampfende ‚Say‚ in Ansätzen immer noch fein bratzt: die Gitarren agieren nun wie alles hier gezähmter. Weil stattdessen ein ‚ii) Gold‚ dafür hinten raus psychedelisches Tsouras-Gedängel in den Himmel hängt, ‚iii) Control‚ hippiesk alles richtig macht, was The Vines so nicht konsequent genug durchziehen und ‚iv) Ready‚ aufmunternd den Grunge atmet.
Wohin Cronins Songs in Zukunft wachsen könnten zeigt dann ‚v) Different‚, das sich mit seinen schwelgenden Orchesterwellen und Hornsektionen arrangementtechnisch nicht allzuweit aus dem Fenster lehnt, jedoch aufzeigt, wie sensationell eine elegische Melancholie dem Kalifornier doch steht. Da fällt es auch kaum ins Gewicht, dass die vordergründig nett bleibende erste Hälfte der Platte sich nicht ganz aus dem Schatten von ‚MCII‚ wagen will und generell im Schatten der zweiten von ‚MCIII‚ steht, weil die Ohrwürmer und Lieblichkeiten auch hier anstandslos aus der Hüfte purzeln.
Die Zeit die es braucht, um einen Mikal Cronin-Song ins Herz zu schließen zu können ist also trotz der lyrisch und instrumental ausgebauten Tiefe nur bedingt gestiegen, die Halbwertszeit der Kompositionen hingegen ähnlich kompakt geblieben. Denn wer ‚MCII‚ noch einmal hervorkramt weiß vermutlich, wie schnell Cronins Songs sich wieder aus den Gedanken verflüchtigen können. Als Serotoninstation für das Kurzzeitgedächtnis, zumal unmittelbar vor dem einsetzenden Sommer konsumiert, könnte allerdings kaum seine Platte derzeit aber kaum willkommener erscheinen.
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vegetableman - 9. Juni 2015
sehr guter review, hab mir beim hören interessanterweise fast 1:1 das gleiche gedacht. nur hätte ich dem album mehr als 6/10 punkten gegeben. ist doch toll dass der ausbruch aus dem grauschleier, das hervortreten vor den lo-fi-vorhang, der so halb-ausgereifte songs und ideen immer ganz gut kaschieren kann, hier bei ihm schon zum zweiten mal so gut funktioniert. es geht immer ums vollenden und das macht mikal cronin sehr gut.
Oliver - 25. Juni 2015
Vielen Dank erstmal – und stimme auch dir (natürlich) in allen Punkten zu!
Warum das Album dann in erster Linie doch nur 6/10 (also ein „gut“) bekommen hat: so viel Freude mir der Großteil der Songs auch macht – ich persönlich höre mich einfach auch ziemlich schnell satt an der Platte, die Nachwirkung hält sich auf lange Sicht ziemlich in Grenzen. Was bei Cronin aber ohnedies Jammern auf recht hohem Niveau ist.