Miguel – Art Dealer Chic Vol. 4
Seit 2017 war es – bis auf die Single Funeral und Te Lo Dije – relativ still um Miguel. Dass sein frivoler Alternative R&B in Zeiten sozialer Isolation und abgesagter Strandurlaube allerdings wichtiger denn je sein könnte, wird mit Art Dealer Chick Vol. 4 aber überdeutlich.
Was ist der Stand der Dinge, Mr. Pimentel? „I’ve been doing a lot of work to consider and refine my beliefs in the last few years. Inevitably, this brought me back to Art Dealer Chic, as ADC is more or less a moniker for active mindset curation; choosing the thoughts, emotions, and actions that reflect my truest self instead of letting what I’ve experienced or what is expected of me dictate my choices. As a basic operating system, this mentality has made a profound impact on my life and I want to continue to share how through the music and the conversation around ADC.”
Deswegen also folgt nach knapp neun Jahren Pause die vierte Ausgabe der besagten EP-Reihe – vollgepackt mit weitestgehend typischen Miguel-Ohrwürmern, analytisch aus dem Herz und dem Unterleib heraus.
Funeral rutscht die Tonleiter hinunter („Send my regards to the mother and father/ ‚Cause somebody’s daughter, I just fucking slayed/ Blood on the carpet, it came from my heart/ Once I start, I can’t stop it, and now, we all pray“) und wummert mit Subbässen sexy groovend, der Bass lenkt das elektronische Werk hin, Miguel ist hingebungsvoll wie immer bei der Sache: „I wanna dive in you tonight/ Wouldn’t that be special?/ ‚Cause you’re so fucking special/ And that pussy ain’t a rental“.
Triangle Love tänzelt vor seinem halluzinogenen Neon-Nebel verführerisch mit eigentlich dunkel dräuenden Synthies, konterkariert diese mit einem supercatchy daherkommenden Pfeifen. Und spätestens wenn das Sample von Closer für das soulig schwelgende, lange Beinahe-Outro aus dem Hintergrund auftaucht, hat man es bei der Dreiecksgeschichte mit einem nonchalanten, vielleicht zukünftig legendären Semi-Klassiker aus dem Repertoire von Pimentel zu tun.
Thinking Out Loud nimmt sich danach deutlicher zurück, pluckert und klackert als relativ unscheinbarer Grower mit ätherisch in Trance versetzten Requisiten, der seine Eingängigkeit eher nebenher erzeugt und vor allem im Gefüge der EP seinem überzeugenden, fast subversiv-verwinkelten Dienst tut.
Dass gerade das abschließende So I Lie für Miguel besonders hart zu schreiben gewesen wäre und gewissermaßen eine Art Neubeginn markieren soll, überrascht auch insofern. Immerhin klingt die Nummer entlang ihrer Handclaps und unendlich relaxten Dancefloor-Attitüde so locker und verspielt, so leichtgängig und den Bass doch tief hinunter führend, dass die sonnige Kuscheligkeit wie die am selbstverständlichsten aus dem Handgelenk geschüttelte Rückkehr ohne verkrampfte Mühen anmutet, die man sich von (einem auf Keimzellen wieder Art Dealer Chic Vol. 4 vielleicht ein bisschen zu oft der Versuchung von Stimmeffekten nachgebenden) Miguel – trotz Luft nach oben zum Material seiner Studioalben – eigentlich nur erhoffen konnte.
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