Midwife – No Depression in Heaven
„All of my songs are love songs/ All my songs are blue/ All of my songs are about death.“ singt Midwife Madeline Johnston auf ihrem vierten Studioalbum No Depression in Heaven im Song Killdozer.
Eigentlich geht es in besagter Nummer über Marvin Heemeyer und seine eigenwillige Amok/Protestfahrt, was Johnston in Relation zur restlichen Platte ausnahmsweise in griffigere Akkorden kleidet, beinahe mit der Demo-Transzendenz eines körperlosen Rocksong. In gewisser Hinsicht zeichnet sie mit diesen Zeilen allerdings auch ein adäquates Bild über ihre aus den Gegensätzen zusammenfindende Musik im Allgemeinen: No Depression in Heaven ist praktisch auf Tour entstanden, das Unterwegs-Sein wird jedoch in der Form des musikalischen Ankommens artikuliert, während aller zeitlosen Schönheit stets eine zutiefst melancholische Verlustangst beiwohnt. Trauer und Liebe gehen stets Hand in Hand. Und in dem einen runden, nostalgischen Abschluss besorgenden Titelstücks heißt die Litanei: „Crying/ Ha ha ha ha ha ha ha ha ha“.
Letztendlich hat sich Midwife für diese Paradoxen gefühlt kaum einen Millimeter aus ihrer bisherigen Radius entfernt, dringt dafür aber vielleicht sogar ein bisschen weiter zum Kern ihres Sounds vor: Ihre Musik agiert mit etwas weniger Shoegaze-Kanten so sehr im stimmungsvollen Einklang mit sich selbst, dass man von einer gewissen Komfortzone sprechen darf. In der Schere aus Form und Inhalt ist No Depression in Heaven am Abgrund einfach angenehm zu hören.
Den Slowcore und Dreampop ambient mischend drosselt sie das Tempo nach üblichem Muster in die Zeitlupe, baut ihre Songs auf meditative Gitarren-Texturen, Loops und hypnotische Soundschleifen, während sie die Texte in der betörenden Atmosphäre mantraartig im elegischen Reverb repetiert. Etwa so, wie wenn Chromatics von Grouper zur sphärischen Low-Erscheinung umgehaucht worden wären.
So homogen und mitunter arg gleichförmig dies dann auf Albumlänge auch klingen mag, lassen sich die Songs doch anhand individueller Charakteristiken auseinanderdividieren. Das ätherische verwaschene Rock N Roll Never Forgets könnte in die Radiostationen von Twin Peaks eingespeist sein (und hätte exemplarisch schon einen weniger zum Gesang tendierenden Ansatz vertragen, weil hier die Monotonie der Platte wurzelt), das nautische Droving hat eine vage The Cure-Ästhetik. Vanessa setzt ausnahmsweise auf einen sparsam dampfenden und zischenden Minimal-Beat, während die Gitarren in melancholischer Schwermut a la Akira Yamaoka von Silent Hill träumen.
Die beiden Coversongs – Autoluminescent (von Rowland S. Howard) und Better of Alone (der Smash-Hit von Alice Deejay) – wie nebulös-schleierhafte Erinnerungen absolut ansatzlos in den Kontext ein und weisen eine smarte Hook-Orientierung und Melodie-Effektivität vor, die nicht auf tranceartig-penetrante Wiederholung der Midwife-Originale für die Eingängigkeit setzen muss und damit Schwächen im Songwriting aufzeigen.
No Depression in Heaven müsste aber sowieso mit Gebrauchsanweisung kommen: Aktiv analysierend wahrgenommen können sich die (meistens um das kleine Quäntchen zu lang ausgefallenen) Stücke zur wohligen Langeweile ziehen, passiv wie ein Sedativum konsumiert (und an dieser Stelle auch derart bewertet – also zwischen den Punkten aufrundend) entwickelt die Platte einen verführerischen Zauber, der, hat man sich auf ihn eingelassen, einfach himmlich ist.
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