Michael Kiwanuka – Home Again
Es ist so grandios wie angekündigt, alle Vorschusslorbeeren waren gerechtfertigt: Einen Mann und seine Stimme, von grandiosem Oldschool-Soul-Sound perfekt in Szene gesetzt. Mehr braucht es auf ‚Home Again‚ über weite Strecken gar nicht, um das Fenster in längst vergangene Tage zu öffnen.
Um einzutauchen in eine Parallelwelt, in der die Goldene Zeit des Souls sich auf die erhabensten Singer-Songwriteraugenblicke der Gegenwart spiegelt. Auf die Frage, wie alt ‚Home Again‚ sei, können nur zwei Antworten fallen. Entweder: Verdammt alt, muss ein Kumpel von Marvin Gaye sein, wie lange waren die gemeinsam bei Motown? Oder eben: der gehypte Typ aus London mit dem für westliche Ohren so sperrigen Namen, vorderster an der BBC Hotlist Front und mit Vorschusslorbeeren nur so verwöhnt. Die soulige Vintagevariante von Jack Johnson, wenn man so will. Nur dass die beiden miteinander zum Surfen an den Strand fahren, das kann man sich dann doch nicht ausmalen.
Dafür umweht ‚Home Again‚ eine zu durchdringende Melancholie, die Sehnsucht nach anderen, besseren Zeiten. Eine Aufbruchsstimmung ist zu spüren, die Wehmut und Demut so ehrfurchtsvoll unter einen Hut bringt. Zurückblicken, mit geschlossenen Augen singt Kiwanuka, und dann weitermarschieren. Keine Tränen vergießen. Keine Leichtigkeit angesichts der wunderschönen Melodien, die der Mann mit Wurzeln in Uganda so unangestrengt ausbreitet. Abseits der ohnedies im schlimmsten Fall zumindest als angenehm empfindenswerten Schmeichelstimme des 24 jährigen Engländers ist es aber auch die Interaktion dieser mit dem ideal vollen, trotz des breiten Spektrums immer vornehm zurückgenommen auftretenden Soundbild von ‚Home Again‚, die zu begeistern weiß: Das immer so behutsam am Jazz gestreichelte Schlagzeug, die edlen und weichen Streicher, die eleganten Querflötemomente, die magischen Bläserarrangements – sie ergänzen einander in einem wunderbar tiefgehenden Analog-Sound, von The Bees Chef Paul Butler ideal orchestriert. Wirklich verdammt smooth, das alles.
Die großen Momente perlen ineinander: Wie sich der natürlich vorhandene, lang bekannte und nur auf den ersten Blick beste Song ‚Home Again‚ langsam schlapfend zum Ereignis hochschwingt. Wie der direkt von Elvis abgeworbenen Männerchor in ‚Bones‘ anständig im Hintergrund die Tür aufhält. Die nachdrücklich auftretenden Bläser, die just dann auf den wunden Punkt drücken, wenn Kiwanuka von „Heavy Times“ singt. „My Time is coming soon“ prophezeit Kiwanuka in ‚Always Waiting‚, obwohl man längst weiß: Das ist bereits seine Zeit, erst recht wenn die Erinnerung daran wie ein anschmiegsamer Wohlfühl-Traum inszeniert wird.
Die bombastischen Hits treten zugunsten der intensiven, wohligen Atmosphäre zurück, ‚Home Again‘ baut auf feines, beinahe unscheinbares Songwriting, durchgehend erstklassig und zeitlos, das die Stimme Kiwanukas weitaus weniger in den Mittelpunkt stellt, als es möglich wäre. Pures Understatement eigentlich. Es ist schon jetzt anzunehmen, dass Kiwanuka seine nostalgische Kunstfertigkeit noch nicht auf die Spitze getrieben hat, wohl das Zeug dazu haben könnte, die Lücke zu füllen, welche die jüngst verstorbene Amy Winehouse hinterlassen hat. Freilich weniger als trauriger Klatschspaltensbewässerer, denn als Heilsbringer für all jene, die einem nostalgischen Gefühl an die Vergangenheit nachhängen, die so eigentlich nie stattgefunden hat.
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