mewithoutYou – Ten Stories

von am 15. Mai 2012 in Album, Heavy Rotation, Reviews

mewithoutYou – Ten Stories

Wieder mehr Post Hardcore, dafür weniger Folk und ganz viel Pop: Das fünfte mewithoutYou Album fasst die rasante Entwicklung seit dem Zweitwerk ‚Catch for us the Foxes‚ konsequent zusammen.

Ein bisschen fühlt sich ‚Ten Stories‚ damit auch wie das revitalisierende „Zurück auf los„-Album einer Band an, die selbst anscheinend am wenigsten an die rundum reibungslos verlaufene Kurzzeitpause nach ‚It’s All Crazy! It’s All False! It’s All a Dream! It’s Alright‚ denken muss, und sich lieber auf ihre vertrackten Wurzeln besinnen will, ohne deswegen gleich auf die Errungenschaften der beiden Evolutionssprünge ‚Brother, Sister‚ und vor allem eben des 2009er Albums mit dem langen Titel verzichten zu müssen. Also lieber der brüderlichen Schulterschluss, der von der ersten Sekunde an keine Zweifel aufkommenlässt, dass die Fünf aus Philadelphia wieder ordentlich an ihrem Soundgewand gezimmert wurde.

January 1878‚ führt nicht nur vom Titel zurück in eine Zeit, in der mewithoutYou nicht wie zuletzt beinahe ausschließlich Neutral Milk Hotel und Bright Eyes Platten hörten, sondern sich noch mit vertracktem Post Hardcore und Small Brown Bike Alben auf ihren schiefgelegten Stilmix vorbereiteten. Melodien werden vertrackt ineinander verschachtelt und hinterrücks über die gegeneinander arbeitenden Gitarrenmuster gezogen, gebratzt wird da wie seit ‚Catch for us the Foxes‚ nicht mehr. Das Schlagzeug scheppert und malträtiert Songs, welche die Wut und Verzweiflung alter Tage bis auf wenige Ausnahmen wie die Vorabsingle ‚Fox’s Dream Of The Log Flume‚ gegen den kopfüber durch den Raum purzelnden Folkrock jüngerer Alben tauschen wollen und für ‚Ten Stories‚ so einen entrückten Entwurf von Indie Rock destilliert haben. Der Spagat zwischen O’Brother und Wintersleep, zwischen As Cities Burn und The Decemberists, er ist ein irritierender und umständlich hantierender, aber einer, der letztlich aufgeht und sich gar bis hin zu La Dispute dehnt.

Gerade die Fankurve derer sollte sich für die textlastige Geschichtenfixierung von Sänger Aaron Weiss begeistern können. Der schreit sich nicht mehr durch seine Spoken Word Hysterien, sondern betont im markanten Sprechgesang beinahe durchgehend die letzten zwei Silben, transportiert Melodieansätze anstatt wie im Wahn zu predigen und klingt dabei wie der manisch depressive Sohn von John K. Samson und dem Prä-‚Good News for People Who Love Bad News‚- Isaac Brooks. Das kann kein Zufall sein, weil seine Band dahinter selbstverständlicherdenn je als Stolperfalle für Folk und Rocksprengsel im Post Hardcorewald fungiert, dem überdrehten Kirmesrock erst spät Platz einräumt, aber dessen Gesinnung vertritt: Nicht nur über fröhlich hüpfende Singalongs wie ‚Cardiff Giant‚ hat sich da eine lässig sitzende Prise Pop eingeschlichen, die phasenweise ein beachtliches – relatives – Hitfeuerwerk hinter sich her zieht: ‚Elephant In The Dock‚, ‚Aubergine‚ oder ‚Fiji Mermaid‚ wollen gar nicht mehr raus aus dem Kopf – und müssten notwendigerweise noch nicht einmal alle von der selben Platte stammen, wäre Weiss nicht derart prägnant. Und sobald die von Paramore geborgte Gaststimme von Haley Williams unkenntlich in ‚All Circles‚ miteingreift, ist das nicht nur einer der besten Momente in dieser so verdammt aufwendig karschierten Ohrwurmsammlung, sondern sogar gesamten mewithoutYou Geschichte.

Zwei Stigmata dürften mewithoutYou allerdings auch mit ‚Ten Stories‚ wohl nicht ablegen können. Zum einen werden sie sich nach diesen zehn Kurzgeschichten über einen aus der Bahn und ins Visier eines entgleisenden Zugs geratenen Zirkus nach wie vor – gegen ihre eigenen Ansichten – gefallen lassen müssen, darauf reduziert zu werden eine christliche Rockband zu sein. Mit derartig viel Querverweisen zu Tieren, Heiligenerscheinungen und Tieren mit Heiligenerscheinungen auch irgendwo  nachvollziehbar. Wobei natürlich wieder zu wenig tief greifend und einer rundum durch alle Glaubensrichtungen pirschenden musikalichen Spirituellenvereinigung wie mewithoutYou nicht gerecht werdend.
Zum anderen werden mewithoutYou auch wieder damit kämpfen müssen, die angebrachte Anerkennung für ihr fünftes Studioalbum ernten zu können – das Päckchen der sträflich und zu Unrecht missachteten Band, schleppen die nun auch schon seit zehn Jahren mit sich herum. Haben sie sich aber auch so ausgesucht. Weil mewithoutYou ihr Songwriting nach wie vor hinter umständlichen Klötzen verstecken und die Kompositionen nicht um jeden Preis zugänglich machen wollen. ‚Ten Stories‚ ist keineswegs so abwesend, wie die Platte auf den ersten Eindruck vermitteln will, sondern ähnlich zugänglich wie sein Vorgänger, nur eben mit älteren Mitteln. ‚Ten Stories‚ ist aber auch mehr als die bloße Schweißnaht zwischen den vielen Ansatzpunkten der Band, es ist zelebrierte Weiterentwicklung und punktuelle Neuerfindung. Und nur deswegen nicht das beste mewithoutYou Album, weil eigentlich jedes Album deren bestes ist.

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