Metallica – Hardwired… to Self-Destruct
Dass Metallica auf der By Request-Tour die Setlist per (SMS-)Voting generieren ließen, scheint nun aufzugehen: Mit Hardwired…to Self-Destruct liefert die Institution ein bedingungslos am Markt und Fanwünschen angepasstes zehntes Studioalbum, dass ungeniert die eigene Discografie recycelt. Und den Kanon der Band trotzdem (oder gerade deshalb) durchaus gelungen fortführt – bevor man sich doch noch in zuviel Leerlauf vertändelt.
Metallica-Alben polarisieren ja nicht erst seit Lulu. Auch Hardwired…to Self Destruct ist nun je nach Blickwinkel eine Rückkehr zur alten Form, ein stilistisches Best of der Bandgeschichte auf dem Niveau alter B-Seiten (was angesichts der ersten fünf Studioalben ja per se nichts schlechtes sein muss), oder aber eine kreative Bankrotterklärung, bei der sich Metallica (wie schon auf dem seine Vorzüge in der Inszenierung verprassenden Loudness War Death Magnetic) ausnahmslos damit begnügen den eigenen Backkatalog nachzuspielen, diesmal aber uninspiriert gleich ganze Versatzstücke alter Alben (primär: das Schwarze) zusammenschweißen, dazu frecherweise auch bei Kollegen wie Slayer oder Megadeath hemmungslos klauen.
(Der Drahtseil zwischen offensichtlicher Kopie und erfrischend aufbereiteter Selbstreferenz ist hier nämlich nicht immer schwindelfrei, geschweige denn als wertkonservatives Traditionsdenken wie etwa bei Iron Maiden zu klassifizieren – viel eher imitieren Metallica sich nun 1:1. Es hat es jedoch durchaus seinen ganz eigenen Reiz hat, all die Elemente von Hardwired…to Self-Destruct seinen ursprünglichen Besitzern zuzuordnen: Der motivierte Ausritt Atlas, Rise! pendelt beispielsweise generell im Spannungsfeld von Master of Puppets und Ride the Lightning zu seinem tollen NWOBHM-Finale, adaptiert dabei immer wieder die Melodie von Blackened; ManUNkind versucht sich unkaschiert an einem Update zu My Friend of Misery; Die DNA von Enter Sandman taucht nicht nur in Confusion und Here Comes Revenge auf; Dream No More verhebt sich zu monoton an seinem doomigen Alice in Chains-Flair mit Sad But True-Grundgerüst, The Thing That Should Not Be-Atmosphäre und waschechten Cthulu-Besuch;…die Liste an Fundstücken ließe sich schier endlos verlängern).
Die Wahrheit liegt vermutlich irgendwo dazwischen. Auch inmitten einer überraschend starken – oder eher: enorm effektiven – erste Hälfte der Platte und der in zuviel Leerlauf plätschernden zweiten und einem Gesamtwerk, das Fragen offen lässt: Kann Pflichtbewusstsein fehlenden Biss ersetzen, oder das immer noch vorhandene Knowhow das schwindenden Maß an Relevanz aufwiegen? Ist die Schnittmenge aus pure Dienstleistung-Ambition und unabdingbaren Können wirklich der einzige Weg, um das eigene Erbe adäquat zu verwalten? Wieviel ist es wert alte Stärken zu zitieren, wenn sie durch das selbstgefällige Mäandern im eigenen Sud gleich wieder relativiert werden?
Wobei Hardwired…to Self Destruct gleich mit der eröffnenden, keineswegs repräsentativen Vorabsingle Hardwired ohnedies ein wenig auf die falsche Fährte führt: Der rasant mit nervöser Snare und energischen Thrash-Gitarren galoppierende Einstieg begeistert gerade auch wegen seiner enormen Kompaktheit. Wo die an Geschwindigkeit anziehenden Passagen der Band 2016 immer noch am mitreißendsten stehen, destillieren Metallica diese Energie nach den Quasi-Titeltrack in weiterer Folge nie mehr derart atemlos und lassen damit die Frage im Raum stehen, warum man auf Hardwired…to Self Destruct nicht öfter derart entschlackt zu Werke gegangen ist. Zu Zeiten der Heydays, als das Songwriting der Band epischere Längen noch mühelos rechtfertigte, sprach ja nichts gegen 10 Minuten-Monolithen. Heute aber wirken die Songs über diese Distanz gezogen schon einmal zu ermüdend und unnötig langatmig.
Diese Crux bricht Hardwired… to Self-Destruct gerade im weiteren Verlauf im Verlauf das Genick: Die Stafette aus Confusion, ManUNkind, Am I Savage und dem Lemmy-Tribut Murder One (das stimmungsvoll hardrockende Here Comes Revenge rehabilitiert sich nach und nach im Re/Load-Modus) kommt etwa trotz vereinzelt aufblitzender guter Refrain-Ideen niemals wirklich in Fahrt. Dröge, zäh und ziellos verschweißt die Band in dieser Schwächephase lose um zu viele Plattitüden kreisende Déjà-vu-Standards, walzt zu wenige potente Ideen auf bornierte Überlänge aus und erstickt jedes Momentum. Hier ist das Problem nicht die stilistische Rüchwärtsgewandheit – sondern rein die generelle kompositionelle Klasse der Songs: Ein mediakres Einerlei, das in der Egalität verschwindet.
Zumindest weniger wäre hier definitiv mehr gewesen. Und ein nahezu um knapp die Hälfte gekürztes (oder zumindest markant gestrafftes) Hardwired…to Self-Destruct würde generell jedem positiven Aspekt entgegenkommen.
Umgekehrt proportional verhält es sich qualitätstechnisch glücklicherweise ohnedies im ersten Part der Platte. Nicht, dass sich Metallica dort bedeutend mutiger oder spannender präsentieren würden – nur funktionieren Songs wie Moth Into Flame, Atlas, Rise! oder das balladesk beginnende, sich fein hymnisch steigernde Halo on Fire mit der anvisierten Grundintention schlichtweg. Sie zünden mit dem zwingenderen Songwriting vergleichsweise packend, verströmen das angebraute Oldschool-Metallica-Flair deutlich fokussierter und schlüssiger. In dieser Phase der Platte gelingt es der Band erstaunlich anstandslos mit ihren zutiefst generischen Dienstleistungen abzuholen, ungestelzten Spaß zu machen, die richtigen Knöpfe zu drücken und kurzweilig durch den eigenen Baukasten anzutreiben. Dass Hardwired… to Self-Destruct zudem mit dem furios auftrumpfenden Thrasher Spit Out The Bone entlässt, stimmt nahezu euphorisch. Trotzdem bleibt nach 78 mitunter arg enervierender Minuten doch vor allem das Gefühl, dass Album Nummer Zehn das Projekt Bedingungslose Aussöhnung deutlich zielführender hätte praktizieren können.
Zumal sich Licht und Schatten auch sonst im Wege stehen. Das beginnt beim Kanonen auf Spatzen-Spiel von Lars, dass 2016 technisch auf dem Punkt ist, über weite Strecken allerdings tatsächlich derart ermüdend einfallslos, ärgerlich monoton und altbacken simpel ausgefallen ist, wie das die Szene-Polizei ja seit jeher so gerne bekritelt. An der anderen tragenden Achse der Band singt Hetfield seine Nonsens-Lyrics dafür besser und kräftiger, als auf wahrscheinlich jeder anderen Platte der letzten zwei Jahrzehnte – dafür gelingen ihm diesmal jedoch kaum spektakuläre Riffs: Hardwired to Self-Destruct verlässt sich primär auf konservative Handwerksarbeiten, erledigt seinen Job damit aber eben immer noch über einem Gros der Konkurrenz.
Dass Kirk wiederum angesichts eines verlorenen IPhones nichts zum Songwriting beisteuern konnte und sich ganz auf die Soli konzentrierte, gleicht einem schlechten Witz: Bis auf wenige feurige Ausnahmen (etwa Moth Into Flame) düpieren seine Exkursionen die Songs erstaunlich banal, unspektakulär und vorhersehbar, hinterlassen mit simpel-wichsender Wahwah-Eintönigkeit nicht selten absolut enttäuschend.
Und Trujillo? Darf in ManUNkind zumindest erste unbedeutende Credits im Sekundenformat sammeln.
Hinter all dieser Ambivalenz ist Hardwired… to Self-Destruct dennoch ein zutiefst solides Metallica-Werk zwischen den Extremen geworden: Wo die Highlights sich ungeachtet ihrer Formelhaftigkeit tatsächlich als Grower auf der Nostalgieschiene erweisen und im besten Sinne zweckdienlich und routiniert mit ihren Vorzügen hausieren, langweilen zu viele frustrierende Bagatellen, was den Gesamteindruck neben all den anderen Mankos am ärgerlichsten drückt.
Das macht Hardwired… to Self-Destruct zu einem durchaus erfolgreich inszenierten Pseudo-Comeback, zu echter Genre-Wertarbeit sowieso. Seinem Titel entsprechend ist das Sammelsurium ein unspektakulärer Fanpleaser durch und durch, der einen signifikanten Formanstieg geschickt vorgaukelt, indem er es Langzeitfans gar billig Recht machen will (- wenn man so will, stellt das Album vielleicht sogar das Metal-Pendant zur jüngsten Star Wars-Erweiterung dar). Hinsichtlich der Produktion ist die Platte ein Schritt nach vorne (der sterilen Nummer-Sicher-Inszenierung von Greg Fidelman sei Dank), vor allem aber eben ist sie doch immer wieder ein künstlerischer Offenbarungseid. Denn wo man von Alben wie Load oder St. Anger freilich weiterhin halten kann, was man will, muß man den polarisierenden Werken allerdings stets zugute halten, ist, dass Metallica dort (Zeitgeist-Bandwagon hin oder her) noch versuchten neue Dinge auszuprobieren, durchaus mutig und wandelbar agierten, nicht nur treudoof und anbiedernd die Bedürfnisse der eigenen Kundschaft zu befriedigen versuchten. Insofern verspielt der ergebene Fanservice Hardwired…to Self-Destruct vielleicht sogar mehr Integritäts-Credibility als Death Magnetic, Monopoly-Games, Skier oder Modehauswerbungen überhaupt könnten – macht aber inhaltlich und präsentationstechnisch in Summe paradoxerweise eventuell trotzdem manchmal ein bisschen mehr richtig als seine Vorgänger. Zudem können Metallica bekanntlich ja mittlerweile ohnedies nur noch verlieren – insofern: Chapeau!
Für den Moment (auch angesichts der schwankenden Discografie der letzten zwei Jahrzehnte) ist diese Veröffentlichung wohl nicht nur für ewiggestrige Puristen ein verhaltener Grund zur Freude. Ob das auf lange Sicht jedoch reichen wird, um Vertreter von Hardwired…to Self-Destruct nachhaltig in etwaigen zukünftigen By Request-Setlisten unterzubringen, darf jedoch bezweifelt werden.
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