Messer – Neonlicht
Die vorausgeworfenen Schatten des Nachfolgers zu ‚Im Schwindel‚ zeichnen langsam aber sicher konkrete Konturen. Die hohen Erwartungshaltungen werden jedenfalls nicht gerade gedrosselt, wenn die Münsteraner ihren wahrscheinlich glasklarsten Hit bisher als Vorboten zum zweiten Studioalbum auswählen.
Denn nichts anderes ist ‚Neonlicht‚. Geschmackvoll an New Order, The Cure, Joy Division und generell den (bei der Band wohl nicht unbeliebten) 1980ern geschult, spielen Messer eine dynamisch galoppierende Wave-Nummer, in sehnsüchtiger Aufbruchstimmung und melancholisch bis ins Mark. Jene Art von Song also, die nachdenklich im Übergang von Nachthimmel zur Morgendämmerung sinnsuchend zwischen Häuserschluchten umherwandert oder Tanzflächen in Zeitlupe betrachtet, und wohl auch selbst dann noch alleine auf weiter Flur sein wird, sollten in Zukunft zahlreiche schwermütige und/oder ausgelassenen Stimmbänder gleichermaßen miteinstimmen, wenn ein mit weniger rauer Wut im Bauch auftretender, aber als Sänger mutiger gewordenerer Hendrik Otremba da sinniert: „Was wollte sie mir sagen/ Was haben wir nur gemacht/Ich hebe meinen Kopf/Doch nichts in mir erwacht„.
Der Déjà-vu-Bass rollt unermüdlich voran, die Komposition an sich gibt sich trotz flotter Rhythmusarbeit gefestigter, weniger am zuweilen bissigen, jugendlichen Sturm und Drang von ‚Im Schwindel‚ anhaltend, als sich sich vielmehr runder, harmonischer, hymnischer und auch massentauglicher als alles zu präsentieren, was die Band bisher geschrieben hat. Trotz der gesteigerten Zugänglich- und Eingängigkeit zeigt der Ohrwurm ‚Neonlicht‚ Messer dabei gleichzeitig in sich gekehrt, nachdenklicher und ja, auch beinahe überraschend konventionell fokussiert.
Dass der unwirklich und ätherisch glitzerende Synthie-Schleier, der über dem gesamten Song schimmert, eine Gitarre ist, würde man dann fast nicht glauben wollen – wüsste man nicht längst, dass das Quartett mit dem so vielseitig auftrumpfenden Pascal [Schaumburg/Mayburg/….] eine Ein-Mann-Alzweck-Atmosphäre-Machine in den eigenen Reihen haben.
Man darf nach diesen 5 Minuten also mutmaßen, dass sich Messer in vielerlei Hinsicht im Wachstum befinden und wohl nicht damit begnügen werden den einfachsten Weg zu gehen und dem begeisternden ‚Im Schwindel‚ ein reines Dacapo zu verpassen. ‚Neonlicht‚ ist insofern nach vielversprechenden Live-Kostproben kommender Stücke jedenfalls ein durchwegs potenter Studio-Ausblick auf das wohl im Herbst kommende Zweitwerk ‚Die Unsichtbaren‚.
In Ermangelung weiterer neuer Songs wird die Vorabsingle durch den enorm stimmungsvollen „All diese Gewalt!„-Remix von ‚Gassenhauer‚ – wunderbar retrofuturistisch pulsierend vom This Charming Man– Labelkollegen Max Rieger der brillanten Die Nerven zusammengebastelt – sowie des gewohnt kunstvollen Hendrik Otremba-Artworks abgerundet. Die auf 500 Stück limitierte physische Version (Vinyl: 100 clear, 400 schwarz) der Veröffentlichung ist derart in allererster Linie ein Dienst am Sammler. Hilft aber auch digital ideal, die Wartezeit bis zu ‚Die Unsichtbaren‚ zu überbrücken.
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