Messa – Feast for Water

by on 23. April 2018 in Album

Messa – Feast for Water

Was auf ihrem Debüt Belfry vor zwei Jahren bereits enorm vielversprechend zu beeindrucken wusste, findet über das Konzeptalbum Feast of Water nun weiter zur Formvollendung: Ätherischer Classic Doom und okkulter Rock lassen sich ganz wunderbar mit einer ambienten Melange aus Darkjazz und Drone miteinander verbinden.

Messa verfolgen also den Ansatz ihres erstaunlichen Erstlings konsequent fort, doch ist das Selbstvertrauen und die Sicherheit der Italiener mittlerweile noch weiter gestiegen. Feast of Water praktiziert eine unheimliche Dynamik und Bandbreite, wandelt sich stilistisch permanent, vereint das abgelichtete Panorama aber unter einer stets erkennbaren Handschrift.
Es hat dem Quartett aus Cittadella zudem merklich gut getan hat, ihren Sound etwas glatter und verträglicher zu gestalten, den Fokus von schwadronierenden Instrumental-Expeditionen zu konkreteren – relativ gesehen auch: konventionelleren – Kompositionen gelegt.
Das Songwriting kommt so besser auf den Punkt, bleibt aber dennoch unberechenbar und weitläufig, vermengt wie schon Belfry eine genretechnisch imposante Vielseitigkeit in der kohärenten Atmosphäre und ermöglicht dadurch acht nahtlos miteinander verschweißte Nummern, die gleichzeitig effektiver und zwingender strukturiert gewachsen sind, während die Arrangements und Texturen gleichzeitig mit mehr Herausforderung in die Tiefen schweifen.

Feast of Water hat eben merklich aus den Vorzügen und auch wenigen Schwächen seines Vorgängers gelernt, versucht Optimierungsarbeit hinter einer gestiegenen Verdaulichkeit zu praktizieren. Mit Naunet eröffnet deswegen abermals ein dystopisch abgekämpftes Violinen-Intro die Platte (das auch einen von warten Ellis untermalten Apokalypse-Western einleiten könnte, bevor die Dinge verstörend in ein White Noise-Rauschen umschwenken), jedoch legen Messa bereits hier eine gestiegene Kompaktheit und Stringenz an den Tag,  laben sich an einer finstereren Form der Melancholie.
Snakeskin Drake plätschert düster, malt die Umgebung der Platte  geduldig. Es bleibt erstaunlich, wie wenige Gesten der Band genügen, um eine immense Eindrichkeit am dunklen Abgrund zu erzeugen, der unmittelbar in die Stimmung der Platte zieht. Plötzlich platzt das Geschwür jedoch auf, der Song drückt mit einer dreckigen Rockkante nach vorne. Die Gitarren vibrieren episch am Highway, Boris nicken und freuen sich über den nunmehr theatralisch gestikulierenden Gesang, während Soli energiegeladen ein stoisch wuchtige Riffing umschwirren, das Electric Wizard schon lange nicht mehr derart ambitioniert, hungrig oder dringlich hinbekommen würden –  und Windhand in dieser straighten Zielstrebigkeit wohl nicht wollen.

Im grandiosen Leah treibt dann wieder das prägnante Fender Rhodes-Piano über das nach und nach entschleunigte Retro Flair, Messa schalten ohne Bruchstellen zwischen Hart und knackig sowie zart und gefühlvoll. Black Mountain und (den schon viel zu lange brach liegenden) Earl Greyhound wagen deswegen ein Tauziehen mit fuzzig bratzenden Okkult-Rockern und Doomstern, über The Devil’s Blood finden Messa ein hymnisch aufmachendes Finale ala Blues Pills mit triumphierender Geste, weil das Quartett bei aller assoziativer Referenznähe doch einen eigenen Sound kreiert.
Seine Wurzeln im Blues noch deutlicher offen legt jedenfalls das mit akzentuierter Percussion arbeitende The Seer vor, das seinen tollen Raumklang und phantastische Stimme zu Gitarren dirigiert, die gurren und braten, Led Zeppelin im Ohr  haben und sich mit ordentlich Auslauf verausgaben. Der Rhythmus reißt den Ganghebel immer wieder umher, gibt Gas und lauert, eskaliert im Soli und findet dennoch wie selbstverständlich zu She Knows: In einem Fiebertraum voller Lavalampen beschwören Messa einen Noir Score zwischen dem Kilimanjaro Darkjazz Ensemble und Bohren & Der Club of Gore. Langsam fängt das Kopfkino an sich zu bewegen, tanzt in Zeitlupe, sphärisch. Unmittelbar drücken die Italier jedoch mit einer monolithisch seine Riffkaskaden schiebenden Walze an, ziehen den Song zwar immer wieder in eine behutsame Decke zurück und streicheln mit zärtlichen Vocals. Allerdings kriecht der Drone regelmäßig in das Geschehen und schleppt den behäbigen Koloss massiv dahin. Das könnte gefühltermaßen ruhig noch bestialischer werden, seine Heavyness brachialer inszenieren – doch gewinnt die Grandezza und Eleganz durch dieseunwirkliche Erscheinungsform.

Mit dem Übergang zu Tulsi lockern Messa ohnedies die Handbrense, die kaum existenten Grenzen zwischen den Songs lösen Feast for Water als großes Ganzes auf, das sogar mit dem Black Metal flirtet: Tulsi tackert schließlich mit Blastbeats und keifenden Growls, randaliert für sich genommen ein bisschen in die Leere. Doch wirkt dieser Ansatz nicht nur im Kontext keineswegs bemüht, wenn es zudem absolut erstaunlich ist, wie natürlich sich diese Idee in die restliche Klangästhetik einfügt und wie grandios Messa eine solch agressive Starthilfe als Taktgeber für ein stoisch arbeitendes Riff nehmen, das die einleitenden rasenden Impulse absolut schlüssig in einen homogenen Song führt, der irgendwann sogar friedlich zu schweben beginnt, ein Saxofon die Metarmorphose abschließt lässt: Das packt unerbittlich, um die Augen zu schließen und zur Transzendenz zu führen.

Der „Occult Blues from hell“ von Messa funktioniert damit auf Feast of Water schon alleine angesichts der Substanz im Songmaterial also schon ganz grundlegend fesselnder und faszinierend als bisher bereits, doch wollen zwei Faktoren der Platte noch explizit in die Auslage gestellt werden.
Zum einen ist da der Gesang von Frontfrau Sara, die vor einer enorm zweckdienlich und gefühlvoll arbeitenden Band eine ideale Bühne geboten bekommt. Ihre Performance wandelt sich je nach dem Spektrum des ausgeleuchteten Zwielichts mühelos; ist zu gleichen Teilen gespenstisch, verrucht und erotisch, dann wieder mit leichtem Gothic-Flair morbide oder kraftvoll und energisch.
Und zum anderen ist da eine starke Produktion, die im richtigen Moment die Zügel eng zieht, ansonsten aber genug Raum zum atmen lässt und Feast of Water als Reise inszeniert, die über das die knackige Entspannungsübung White Stains mit angespannten Nackenmuskeln im ätherischen Abspann Da Tariki Tariqat mündet, das einen beinahe orientalisch anmutenden Zugang zum Postrock freilegt, und die Dramatik von Feast of Water noch einmal mit hypnotisierender Dichte artikuliert. Den Exzess, den die Band dabei auf Platte bei Steilvorlagen wie dieser ausspart, wird sie wohl erst live in angebracht erschöpfenden Ausmaß evozieren – vermissen darf man ihn angesichts eines zu abruptes Finales dennoch. Messa schließen hier ungeachtet derartiger minimaler Schönheitsfehler majestätisch den Kreis, tauchen noch weiter in ihren Klangkosmos hinab und lösen praktisch alle Versprechen ein, die Belfry gab.

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