The Menzingers, The Smith Street Band, The Holy Mess [15.10.2014,: Explosiv Graz]
Großes Punkrockkino, an einem nahezu perfekten Abend kompakt aufgezogen, das wegen der (angenehm) pünktlichen Beginnzeit zwar den Auftritt von The Holy Mess verpassen lässt, darüber hinaus aber die Erkenntnis unterstreicht, dass The Menzingers auch auf der Bühne schlichtweg eine Macht sind.
Die Smith Street Band spielt ihren Punkrock sehr solide Richtung Frank Turner, holt aber an diesem Abend auch nicht das volle Potential aus ihren Songs: die Gitarren gehen im Mix ziemlich unter, Bass und Schlagzeug dominieren mit dem Gesang das Soundbild. Was genau Wil Wagner auf seinem Instrument spielt lässt sich deswegen nur schwer erahnen, Lee Hartney’s Melodielinien glänzen zumindest ansatzweise im Hintergrund. Vor allem aber bringt die Band die PS der dynamischen Bandbreite der Kompositionen nur bedingt auf die Bühne: statt sich in den ruhigeren Momenten etwas zurückzunehmen schreit Wagner (wenn’s passt auch im gemeinsamen Gespann mit seine Kumpels) auch hier mit voller Wucht ins Mikro, als gelte es sich in einem unverstärkten Raum Gehör zu verschaffen. Der Funke zum Publikum will dabei nicht restlos überspringen. Aber in Summe passt das durchwegs, was die Australier mit dem mitunter geschmacksverirrten Merchandise hier abliefern, um sich zahlreiche Freunde zu schaffen und für zukünftige Besuche vorbauend Eindruck zu hinterlassen.
Dass potentielle zukünftige Konzerte der Band trotzdem keine Selbstläufer auf der Schiene werden müssen, stellt dann die Besucherdichte bei den Menzingers dar: mit viel Luft zwischen den Reihen ist das Explosiv mutmaßlich gerade mal an der Hälfte seines Limits angekommen – für die Location an einen Wochentag sei dies aber durchaus ein guter Schnitt, heißt es.
Letztendlich ist das sowieso alleine deswegen absolut nebensächlich, weil die Stimmung von der ersten Sekunde an absolut passt. Neben einer gewissen Statik im hinteren Bereich des Publikum ist dennoch eine allgemeine Grundeuphorie zu spüren, die Spielfreude der Band greift von ‚I Don’t Wanna Be an Asshole Anymore‚ weg unmittelbar um sich. Vor der Bühne tummelt sich sofort ein reger Pit, der sich selbst und die Hits der Menzingers ausgelassen und bierselig feiert. Und die kommen praktisch ohne Atempause am Fließband, innegehalten wird nur kurz, um sich über die Gitarrenkünste von Jimmy Page auszulassen, zu überlegen mit zwei Bässen gleichzeitig zu spielen oder mal kurz mit der ersten Reihe anzustoßen, den Mädels was in den Becher zu kippen und augenzwinkernd einen „nice Trip“ zu wünschen, bevor es wieder Schlag auf Schlag geht: ‚Burn After Writing‚, ‚Good Things‚ oder ‚My Friend Kyle‚ geben sich die Klinke in die Hand, Material von ‚On the Impossible Past‚ und ‚Rented World‚ stemmen das Gros der Setlist. Von ‚Chamberlain Waits‚ gibt es zumindest Ausreißer wie ‚I was Born‚, das geforderte ‚Time Tables‚ bleibt hingegen aus.
Selbst vermeintlich schwächere Songs wie ‚The Talk‘ zünden da auf mitreißende Art und Weise, bleiben allerdings nahe bei den Studioversionen. Bei ‚Sun Hotel‚ kurz vor Schluß brennt die Luft, das Publikum packt nicht nur hier zu weiten Teilen eine beachtliche Textsicherheit aus. Bei der Zugabe (die es gibt, obwohl sich die Rufe danach erstaunlich schnell im Raum verhallen) rund um das grandiose ‚Casey‚ und ein leidlich inspiriertes, aber unterhaltsam rausgehauenes ‚Roots Radicals‚-Cover erklimmen ein paar Jungs und Mädels die Bühne und teilen sich die Mikros mit Greg Barnett und Tom May, tapfere Stagediving-Versuche gelingen nur im Rahmen der Möglichkeiten. Aber wer sich nicht in den ersten Reihen tummelt, dem steht zumindest ein seliges Lächeln und bedingungslose Zufriedenheit ins Gesicht geschrieben: die Grundmelancholie ihrer Songs attackieren die Menzingers mit einem Plus an Energie und Druck, der Sound sitzt dazu nahezu perfekt ausbalanciert. Spätestens als sich die Band nach Konzertschluss als unheimlich sympathischer Haufen entpuppt, kommt man um Superlative beinahe nicht mehr umher: ein grandioseres Graz-Gastspiel der Band hätte man sich eigentlich kaum ausmalen können, das ist ein Abend nahe der Perfektion, der kaum Wünsche offen ließ und sich als Anwärter für die Poleposition des Konzertjahres in der Murmetropole anmelden darf.
Setlist:
I Don’t Wanna Be An Asshole Anymore
Burn After Writing
I Was Born
The Obituaries
The Talk
Good Things
Ava House
Where Your Heartache Exists
My Friend Kyle
Nice Things
Gates
Hearts Unknown
Who’s Your Partner
Transient Love
Sun Hotel
In RemissionEncore:
Casey
Roots Radicals
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