Melvins – Tres Cabrones

von am 3. Januar 2014 in Album

Melvins – Tres Cabrones

Das Ende der Big Business- Ära scheint besiegelt: die beiden Melvins Dale Crover und King Buzzo lassen das Besetzungskarussel bis zu ihren Anfängen vor 30 Jahren zurückrotieren und basteln aus allerhand bekannten Songs, Traditionals und Coverversionen ihr (ziemlich sicher) 19. Studioalbum. Die einzige Formelhaftigkeit ist da, dass weiterhin alles erlaubt ist.

Soll etwa heißen: statt Dale Crover, der einen gewissen Mike Dillard vor 30 Jahren am Schlagzeug ersetzt hatte nimmt für ‚Tres Cabrones‚ nun wieder (auch erstmals auf Platte) eben dieser Dillard hinter der Schießbude Platz – während Langzeitdrummonster Crover kurzerhand an den zuletzt von Trevor Dunn besetzten Bass wechselt. Die passende Trackliste der Platte bastelt sich die Paralleluniversum-Urbestzung dabei kurzerhand aus allerhand bereits anderswo veröffentlichten Songs zusammen – die Melvins Neu/Alt spucken unter anderem Material von der ‚1983‚-EP, der ‚Gaylord‚-Single oder diversen Compilations aus – was in Summe (und abseits von Mastering, Mixing und einem möglichen Zählfehler) gerade einmal drei neue Songs ergibt. Daneben gibts mit ‚Tie My Pecker to a Tree‚, ‚99 Bottles of Beer‚ und ‚You’re in the Army Now‚ drei (ebenfalls bereits veröffentlichte) Nonsense-Traditionals, die sich in humoristischer Hartnäckigkeit im gar nicht so stillen Gedenken an Mr. Bungle störend in den Albumfluss pressen: die leidlich notwendigen Ausflüge hätte man sich tatsächlich sparen können.

Aber eben: die Melvins machen was sie wollen und können sich natürlich auch einen derartigen Schmafu leisten ohne ihren Platten die Kniescheiben wegzublasen – selbst wenn das Trio auf ‚Tres Cabrones‘ nur selten zur absoluten Hochform aufläuft, sondern sich zumeist zwischen klassischen Melvins-Sludgerocker und heftig groovenden Standards auf sicherem Territorium bewegt, weil man ohnedies auch drei Jahrzehnte nach der Gründung immer noch das mitunter beste ist, was im Genreland so passiert. Tatsächliche Überrschungen gibts da zwischen allerhand tonnenschwerer Riffabwarten und gniedelnder Melodieausflügen nur, wenn etwa die Slo-Mo-Dampfwalze ‚Dogs and Cattle Prods‚ nach zweieinhalb Minuten zum Stakkato-Rocker ausgebremst wird und von da an in Richtung schwerer Psychedelic in die Umlaufbahn der frühen Monster Magnet abgeschossen wird, nur um am Ende beim versöhnlichen Lagerfeuer landet, oder wenn sich die Melvins für ‚I Told You I Was Crazy‚ in die verwunschene Geisterhaus-Irrensanstalt zurückziehen um gleichzeitig Tom Waits Platten und Throbbing Gristle-Elektronik laufen zu lassen und irgendwann selbst mit möglichst fies kreischender Rockkante durch das Geschehen zu pflügen. dagegen verblassen selbsr das neu eingespielte The Lewd-Cover ‚Walter’s Lips‚ (Luftgitarren raus!) und das Pop-O-Pies-Crossover (‚Fascists Eat Donuts‚) am Ende von ‚Stick ‚Em Up Bitch‚.

Gerade wenn sich die Melvins im Jubiläumsjahr jedoch so demonstrativ aus dem Fenster lehnen und sich wieder einmal von ihrer unberechenbarsten Seite zeigen ist ‚Tres Cabrones‚ mehr als nur eine weitere großartige Melvins Platte, die wie in diesem Fall etwas zu bequem dabei ist alte Banden aufzufrischen und den Spaß am derben Rock in den Vordergrund zu hieven, demonstrativ ungezwungen und mitreißend zu sein (aber hey: Songs wie das ‚Houdini‚-artige ‚Stump Farmer‚ oder ‚Dr. Mule‚ muss erstmal jemand anderes schreiben!), sondern mal wieder der elektrisierende Hinweis, dass man bei dieser Band stets auf der Lauer liegen muss, mit allem rechen sollte. ‚Tres Cabrones‚ ist also sowas was bei anderen, normalen Bands wohl ein „Übergangsalbum“ genannt werden würde, und sicherlich weitaus eher potentieller Fanfavorit als erklärter Kritikerliebling. Wie auch immer: die überragende Big Business-Ära mag als zweiter Frühling der Band vielleicht beendet sein – die besten Momente von ‚Tres Cabrones‚ sagen aber auch überdeutlich: einem dritten steht ja nichts im Wege.

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