Melvins Lite – Freak Puke
von Oliver am 7. Juni 2012 in Album
Zum ersten Mal seit acht Jahren sind King Buzzo und Dale Crover ohne ihre Big Business Buddies Jared Warren und Coady Willis unterwegs. Und obwohl sie mit Trevor Dunn namhaften Ersatz für ‚Freak Puke‚ gewonnen haben, hängt da nun ein „Lite“ als Zusatz im Bandnamen.
Ist aber ja auch nur eine temporäre Geschichte, die Big Business-Rhythmuscrew hat sich nur vorübergehend verabschiedet und scharrt bereits wieder in den Löchern. Wer will, darf ‚Freak Puke‚ wohl guten Gewissens als zeitweiliges Experiment ansehen. Eines, dass allein deswegen schon aufsehenerregend ist, weil der Mr. Bungle und Fantômas erprobte Dunn ein Virtuose an seinem Instrument ist – und seine Kunstfertigkeit zudem momentan lieber am Kontrabass auszuüben scheint. Alleine durch den markanten Soundunterschied des Tieftöners und der Abstinenz des zweiten Schlagzeugs führt ‚Freak Puke‚ die Melvins-Discographie auf einer anderen Schlagseite weiter, als es die letzten drei Studioalben und der konsequenten Gratis EP ‚The Bulls & The Bees‚ dieses Jahr noch taten. Das erzwingt brilliante Momente, wie das Finale von ‚Baby, Won’t You Weird Me Out‚; das ganz großes, ganz schräges Kino, wenn sich nicht zuletzt Crover und Dunn die Bälle zuspielen und man sich mitten in einer abgefahrenen Jamsession wähnt.
Was so des öfter auf ‚Freak Puke‚ vorkommt, nicht immer in derartig positiver Konsequenz. An von vorne bis hinten stringenten Songs waren die Melvins zwar noch nie so wirklich interessiert, derart schleifen gelassen wie in der Lite-Version haben King Buzzo und Crover die Sache allerdings auch schon länger nicht mehr. Soll heißen: die endgeilen Sludge- und Metalriffs, die vertrackten Headbanger-Momente, die fiesen Noiseattacken und umständlich mitreißende Badass-Rhythmen – natürlich alles vorhanden. Nur eben nicht ganz so nahtlos zusammengeschraubt wie man das zuletzt gewohnt war. Da darf ausfransen und strawanzen gehen, was ausfransen und strawanzen gehen will; was sich als strukturlose Kakofonie jenseits der Nachvollziehbarkeit wohl fühlt, darf diese Neigung auch gerne mal gleich zu Beginn ausleben, wie ‚Inner Ear Rupture‚ nach dem ohnedies schon so stolpernd Willkommen heißenden ‚Mr. Rip Off‚ klar stellt: Die Anwesenheit des Mannes, der sich auch auf diversen Jazz-Festivals rund um den Erdball wohl zu fühlen weiß, bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Institution Melvins – und spaltet ‚Freak Puke‚ so auch in zwei Hälften.
Melvins Lite umspielen die drückende Dichte der letzten Platten mit einer geradezu desorientierenden Leichtigkeit, die den angehängten Zusatz dann doch irgendwo rechtfertigt. Bestes Beispiel wohl ‚Leon vs. The Revolution‚, einer der verwegensten und treffsichersten Trademarkrocksongs, den die Melvins längst aus dem EffEff beherrschen. Dass dabei nicht das einzige aus dem ‚Stoner Witch‚ Fundus ausgegrabene Riff die Aufwartung zu machen scheint und sich die Nummer vor ‚Revolve‚ praktisch geradezu verneigt, zeigt dann auch gleich das eigentliche Dilemma hinter ‚Freak Puke‚: Rocken Melvins Lite die Metalschiene, haben das die „normalen“ Melvins schon deutlich besser gemacht, ohne dabei derartig nach Deja-Vu und B-Seitensammlung zu klingen. Satteln sie den Gaul hingegen vom anderen Ende auf und geben die entrückte Ambient-Jazz Alptraumwalze, ist das nicht immer und unbedingt restlos zwingend – aber eben eine wieder einmal spannende teilweise Neuerfindung für die ohnedies niemals festgefahrene Radaubruderschaft. Aber eine Platte, welche am Ende zuerst die McCartney Nummer ‚Let Me Roll It‚ Richtung Doom abbremst, dabei dem Original nicht nur Tribut zollt, sondern sie geradezu verinnerlicht, und im abschließenden ‚Tommy Goes Beserk‚ beinahe sieben Minuten – also exklusive dem Nerven-malträtierenden Outro – lang in unhandlicher Post-Metal-Manier Riffs aneinanderknotet, als wäre es die leichteste Sache der Welt, die kann per se so schlecht nicht sein.
Was bleibt, mag als Album zerfahrenes Stückwerk sein. Ein Sammelsurium aus abgefahrenen Riffs und bekannt erscheinenden Melodieansätzen, gigantischen Genieblitzen und Momenten, die einen dumm im Regen stehen lassen. Kreiert von Melvins, die auf ‚Freak Puke‚ dezent dünner klingen als zuletzt, aber die alte Faustregel auch ganz dick unterstreichen: Selbst in ihren schwächeren Momenten, kann es praktisch kaum jemand mit denen aufnehmen.
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