Melt-Banana – 3+5
Eine euphorisierendes Comeback und eine wirklich einfache Rechnung: Auf gerade einmal 24 Minuten (respektive neun Songs) destilliert, ergibt 3+5 satte elf Jahre nach Fetch ein nahezu perfektes Melt-Banana-Album.
Exakt drei Dekaden nach dem Debüt Speak Speak Creak macht das (je nach Zählweise neunte oder achteinhalbte oder achte) Studioalbum von Yasuko und Agata irgendwo im catchy-hyperaktiven Flipperautomat zwischen Cell-Scape (2003), Bambi’s Dilemma (2007) und Fetch (2013) praktisch nichts falsch. Selbst die auf den ersten Blick arg knappe Spielzeit erweist sich als ideal kompakt gehaltenes Schaulaufen ohne eine Gramm Fett, dessen Suchtfaktor durch das kurzweilige Pacing derart fokussiert arbeitend sogar noch effektiver wirkt, als das schon bei den vorangegangenen Platten der Band der Fall war.
Muss man 3+5 also unbedingt einen Vorwurf machen, dann eigentlich nur den, dass dem Album kurz vor Schluss ein klein wenig das überragende Momentum abhanden kommt: das dennoch tolle Flipside peitscht wild dahin, wo Melt-Banana gehetzt agieren und gleichzeitig so entspannt abgeklärt ihre Trademarks abrufen, als könnten sie ihre Hatz jederzeit ohne reelle Anstrengung endlos weiter beschleunigen, doch bleibt die Nummer abgesehen von der triumphalen Bridge, in der hyperventilierende Katzen am Pingpong-Tisch jonglieren, eher ein bockstarker Standard.
Ähnliches trifft noch deutlicher auf Hex zu. Doch auch hier gilt: Wenn man Yakos keine Sekunde gealterte Stimme und Agatas (griffigen! abgefahrenen! virtuosen! post-menschlichen!) Saiten-Wahnsinn liebt, ist der Song ein solider Start-Ziel-Sieg – im Kontext eines sonst immer mal wieder einfach überragenden Comebacks aber eben auch nicht mehr.
Schließlich bewegt sich 3+5 ansonsten weitestgehend auf einer Ideallinie, die ohne jede Überraschung exakt entlang der Erwartungshaltung nicht nur ständig die richtigen Knöpfe drückt, um den ebenso hungrigen wie routinierten Fanpleaser abzuliefern. So viele Szenen im Verlauf schreien danach, waschechte Karriere-Highlights für Melt-Banana anzubieten.
Code stellt dafür die fiependen Noise-Frequenzen kurz ein, baut Spannungen auf und joggt mit einer Leichtigkeit zur Aufbruchstimmung dahin, stampft und poltert mit patentiert-polarisierend skandierender Quitsche-Stimme, optimistisch als rasantes Videospiel blinkend. Das ist die Startrampe für das unter Strom peitschend-ballernde Puzzle, das als einer der größten Hits der Melt-Banana’schen Diskografie vergleichsweise simpel angelegt groovt wie Sau und ein Grinsen über beide Ohren stülpt, derweil man headbangt wie ein Duracell-Häschen unter Strom. Als hätte man über ein Jahrzehnt auf Weihnachten gewartet – und dann auf einmal alle Feiertage drumherum auf einen Schlag barrierefrei dazu serviert bekommen.
Dass dieser Instant-Ohrwurm ein bisschen über alle restlichen Songs ragt, bedeutet im Umkehrschluss ob der atemlos jedes Element ineinander greifen lassenden, homogenen Auslage des Gesamtwerks allerdings nur bedingt, dass die Messlatte Puzzle einen Schatten auf 3+5 im Gesamten wirft. Der Sound der Platte ist fetzig ausgewogen und elektrisierend scharfkantig, die programmierten Drums grundieren aus der zweiten Reihe mit dem rumorenden Bass als die superpräzis-sterilen Kumpels, die die Maschinen live schon jahrelang sind. Elektronischen Laser schießen drumherum, es glitcht in der chaotisch-eingängig aus Punk, Pop, Noise und Grindcore gespeisten Matrix.
Im episch röhrenden Scar poltert der Rhythmus so wuchtig aus den Pads, als würde man in der Kurve eines F-Zero-Rennens sitzen, bei der die Boliden erst untertourig vorbei- und dann wieder zurückblasten, um letztlich die Absperrung Richtung Sonnenuntergang mit glückseliger Cartoon-Euphorie zu durchbrechen und sich dabei selbst im Kreis drehend. Case D überholt sich fast selbst auf dem Weg zur Ambient-Highspeed-
Dazu nutzt die gewohnt eigenwillige Ästhetik diesmal trotz des geschrumpften Umfangs mehr Raum und Bandbreite, damit das Songwriting sich variabel austoben kann. Whisper reibt sich etwa am Kontrast aus niedlichem Pit-Kerosin und der Trance eines psychedelischen Ladebildschirms samt Hardrock-Pointe, bevor Seeds die Dinge erst abbremst und dann mit einer Symbiose aus funkelnden Synthies und arschcoolem Riff einen Rausschmeisser hinausballert, der genauso gut die Einleitung für nächste Melt-Banana-Platte sein könnte. Wirklich nötig erschiene eine solche nach diesen 24 Minuten allerdings nicht zwangsläufig, denn Melt-Banana haben ihren Signature Sound hier derart effizient eingekocht und gleichzeitig der Vielseitigkeit zugänglich gemacht, dass man der Essenz ihres Wesens gefühlt gar nicht mehr näher kommen kann, so sehr findet die Platte auf den Punkt.
Das absurde daran ist: Der aufregende, begeisternde Spaß, den 3+5 macht (bevor ihm die Halbwertszeit mutmaßlich irgendwann eine kleine Grimasse schneiden wird, weil die Musik innerhalb ihres 24 minütigen Rahmens zwar extrem mitreißend zündet, darüber hinausgehend aber nicht wirklich nachhaltig beschäftigt), wiegt jede Sekunde Wartezeit der vergangenen elf Jahre unendlich auf und mag unter dem Strich ein nahezu perfektes Melt-Banana-Werk ergeben – das definitiv beste Album der Band ist es deswegen aber dennoch nicht notwendigerweise geworden.
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