Max Richter – From Sleep
Max Richter spricht bei ‚Sleep‚ absolut stimmig von seinem „persönlichen Wiegenlied für eine hektische Welt„, einem „Manifest für eine langsamere Gangart des Lebens„. Auch der einstündige Ausschnitt ‚From Sleep‚ zeigt den britischen Komponisten dabei vor allem als Meister der stimmungsvollen Atmosphärearbeit.
Noch während sich die (sich hoffentlich ebenso atemberaubend wie die Debütseason gestaltende) zweite Staffel der von Richter musikalisch betreuten Serie The Leftovers mit langsamen Schritten nähert, widmet sich der britische Komponist einem wahrscheinlich noch ambitionierteren Projekt: ‚Sleep‚ ist „das wohl längste je aufgenommene einteilige klassische Musikstück„, ein in 31 Tracks unterteilte Traumlandschaft aus Klaviermotiven, elegischen Streichern, düsterer Elektronik und ätherisch schwebenden Gesangsstimmen, von der Richter nicht erwarte, dass sich viele Menschen das Gesamtwerk am Stück anhören: die Premiere im September 2015 in Berlin kann man von Mitternacht bis 8 Uhr Früh in bereitgestellten Betten verfolgen.
Weil Richter und die Deutsche Grammophon dem immer atemloser werdende Alltag allerdings auch auf konsumfreundlichere Weise zu entschleunigen gedenken, erscheint mit ‚From Sleep‚ nun auch ein knapp einstündiger Ausschnitt aus dem Gesamtwerk – „eine Reihe von Fenstern zu dem großen Stück“ – der aktiver wahrgenommen werden wollend den Fokus etwas schärfer einstellt als das nur digital verfügbare ‚Sleep‚ in seiner Gänze.
Wo das Hauptwerk als dösende Schönheit wie ein verzauberndes, natürliches Antidot zu Alpträumen jeglicher Art wohlig in die Arme nimmt, schafft es Richter als Meister der Atmosphäre in ‚From Sleep‚ dagegen regelrecht kurzweilig und unweit seiner Score-Arbeiten vor allem durch die Variation eines immer wiederkehrenden Traummotivs zu fesseln: In ‚Path 5 (delta)‚ summt die geloopte Stimme von Grace Davidson in unwirklicher Mediation (Fun Fact: der Reverb immitiert digital den Hall von Notre-Dame), ‚Dream 8 (late and soon)‚ bedient die Klaviatur verwunschen und trügerisch, transzentiert diese typische Richter -Melancholie, die sich stets einen Hoffnungsschimmer bewahrt.
‚Space 11 (invisible pages over)‚ zeigt Richter mit analogen Synthesizern in bedächtig schimmernden, ambienten Dronelandschaften, ‚Space 21 (petrichor)‚ suhlt sich ebendort in nasser Erde. Auf die von Raum und Zeit gelöste Klaviermelodie in ‚Dream 3 (in the midst of my life)‚ legen sich melancholische Streicher, man muss unweigerlich an die ‚Asleep Versions‚ von Jon Hopkins denken.
Stichwort Konzeptalben zum Schlaf: diese Grenzgebiete erforscht Richter alleine aufgrund seiner Herangehensweise deutlich stimmungsvoller und sphärischer als es etwa ‚SLEEP‚ unlängst tat. Und das, obwohl Richter mit ‚Sleep‚ nicht die aufrüttelnde Eindringlichkeit seiner imposantesten Werke wie etwa dem so übermannenden ‚The Twins (Prague) erreichen kann – oder eher will -, anstelle packender Intensität eher anhand einer flüchtig bleibenden Eleganz umspült, selbst wenn das nur in ‚From Sleep‚ vorkommende ‚Dream 13 (minus even)‚ aktiv wahrgenommen so in seiner repetitiv plätschernden Ausrichtung in diesem nichtsdestotrotz faszinierenden Kontext sogar auf ziellos mäandernde Weise ein klein wenig einschläfernd wirken kann.
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