Mastodon – Emperor of Sand
Dass Mastodon Emperor of Sand je nach Version wahlweise auch mit Buntstiften ausliefern, spiegelt nicht nur den kruden Humor des Quartetts wider, sondern macht angesichts eines kompromisslos über die Ränder von Band-Vergangenheit und -Gegenwart zeichnenden siebenten Studioalbums auch irgendwie durchaus Sinn.
Weil das Quartett mit Emperor of Sand zwar den eingeschlagenen Weg von The Hunter und Once More ‚Round the Sun – also hin zu mehr Weirdo-Poppigkeit und Mainstream-Affinität im progressiven Metal – nahtlos fortsetzt, ihn dabei allerdings mit mehr Feuer im Hintern farbenprächtiger, kreativer und intensiver in Szene setzt, als es vor allem am direkten Vorgänger (der rückblickend doch zu verkrampft an seiner Heavyness festhielt und damit die polarisierende, aber natürliche Entwicklung der Band blockierte) der Fall war.
Gerade auch weil das Verlangen von Mastodon nach euphorisierender Massentauglichkeit, nach eingängigen Melodien und einer zutiefst infektiöser Schmissigkeit wohl niemals eklatanter im Mittelpunkt stand, als hier: So variabel sich das Songwriting auf Emperor of Sand auch in die Vollen legt, so maßgeblich eint das Gros der elf Nummern eine Fülle an schlichtweg riesengroßen (Brann Dailor-)Refrains, die -auch wenn nicht immer vollends nahtlos im Songwriting verankert, doch auch ohne Brechstange schlüssig funktionierend – nach nichts weniger als rappelvollen Arenen verlangen.
Nachzuhören am imposantesten im epochalen Word to the Wise (in dem Mastodon ihre metallischen Schübe unvermittelt zügeln, die Gitarren hinten nach aber bis zum Exzess solieren lassen) oder (dem mit retrofuturistischen Psychedelik-Synthies tapezierten) Clandestiny – Songs, die sich extra für die großen Gesten ausbremsen und keine Angst davor kennen, verdammt cheesy zu klingen.
Und dennoch könnte über Nummern wie das wuchtig riffende Sultan’s Curse, Andromeda (ein giftiger kleiner Kotzbrocken mit schmeichelnder Classic-Highwayrock-Weite, dem pressenden Brutal Truth-Shouter Kevin Sharp als Gast, sowie einem fast schon gen Black Metal keifendem Finale) oder Scorpion Breath (ein angepeitschter, hungriger Sludge-Tritt aufs dringliche Gaspedal mit Langzeit-Spezi Scott Kelly am Schleudersitz) im Jahr 2017 doch auch bis zu einem gewissen Grad die Aussöhnung mit all jenen puristischeren Fanlagern gelingen, für die nach dem so prägenden Paradigmenwechsel Crack the Skye Schluss mit dem funkensprühenden Mastodon-Irrsin war. Überhaupt fühlt sich das Äther-themtische Werk phasenweise wie der direkte Vorgänger zum siebenten Studioalbum an.
Immer wieder durchzieht ein überschwänglich knüppeldick-verdaulicher Reprise-Middleschool-Vibe (also keine brachial Relapse-Oldschool-Kante) Emperor of Sun, und schöpft damit vielseitig Potential ab, das Songs wie Ember City erst andeuteten, ohne dabei aber eine gewisse Erdung nicht aus den Augen zu verlieren. Ein Faktor, der maßgeschneidert von Rückkehrer Brendan O’Brien balanciert wird. Wenn etwa das starke Roots Remain als aufbrausend stampfender Mastodon-Angriff hymnisch klar aufgeht und plötzlich mit klerikaler Getragenheit schwelgt, gniedeln sich Hinds und Kelliher bis zum Piano-Outro die Finger im Geisterhaus wund – aber alleine, dass O’Brien die stadiontauglichen Backinggesänge fast unmerklich an den Rand des Mixes schiebt, kann man ihm nicht hoch genug anrechnen. Ohne ihre basisvergrößernden Ambitionen aus den Augen verlieren zu müssen, schimmert da also gleichzeitig durchaus die Unbarmherzigkeit alter Tage durch.
Was man so nach einer penetrant anbiedernden Vorabsingle wie Show Yourself freilich kaum glauben mag. Doch erweist sich der sich so bedingungslose catchy festsetzende Ohrwurm mit seinem durchsichtigen Punkrockflair und der kaum mehr aus den Ohren zu bekommenden Hookline einerseits als keineswegs repräsentativ für Emperor of Sun im Gesamten. Und andererseits bleibt die derart aus dem restlichen Gefüge fallende Auskoppelung im Gegensatz zu Wegbereitern wie High Road oder Curl of the Burl diesmal eben nicht einmal der unbedingt hartnäckigste Moment einer Platte, die daneben vor zahlreichen spektakulären (und vor allem: spektakulär unterhaltsamen!), mitreißenden und sicherlich auch meinungsspaltenden Szenen nur so strotzt.
Beispielsweise Precious Stones, das mit seinen nach getriebenen Kraken-Drums und viel Drive einen rasanten Ausblick auf zurückgelehnte Wüstenrock-Kollegen bekommt, Steambreather gleich danach als launiger Midtempo-Stackser sein Glück im harmoniesüchtigen Alternative Rock findet, der durchaus an 90er-Vertreter wie die Stone Temple Pilots denken lässt, oder Ancient Kingdom labyrinthisch arbeitend zu klerikalem Gebimmel auf die Metal-Kanzel steigt.
Gerade in der Schlußphase läuft die Platte jedoch erst tatsächlich zur hungrigen Hochform auf, gipfelnd im triumphalen Jaguar God: Was als melancholisch Akustikballade so nachdenklich beginnt, wie es ein Konzeptalbum über die Vergänglichkeit des Lebens mit einem „dem Tod geweihten Wüstenwanderer“ in der Hauptrolle vielleicht einfach verlangt, ein irgendwo im Hintergrund klimpernde Lounge-Piano wie eine Illusion erscheinen lässt und sich erhaben in die Nachdenklichkeit schmiegt, explodiert plötzlich zu einen sich immer weiter steigernden progressiven Hürdenlauf, der sich tollwütig in einen Spielrausch samt epischen Feuerwerkhöhepunkt strampelt.
Spätesten hier wirkt Emperor of Sand nicht nur wie die Wiederaufnahme von Fäden, die nach Crack the Skye vernachlässigt wurden, sondern auch wie der vorläufige Abschluss des Evolutionsprozesses, den Mastodon mit The Hunter und Once More ‚Round the Sun noch nicht derart kompromisslos und rund abschließen konnten, indem der Vierer auch eine fordernde Waghalsigkeit an den Tag legt, den man heutzutage an den kaum noch experimentell agierenden Mastodon meist vermisst. Ein Fakt, den auch die bisher wohl stärksten Gitarrensoli der Bandgeschichte nicht aufwiegen können.
Womit sich Emporer of Sand bewusst ambivalent positionier. Die Metallica-Sellout-Keule wird da wohl mindestens ebenso oft bemüht werden, wie die Anerkennung, dass Mastodon weiterhin in ihrer eigenen Liga spielen. Der paradoxe Discografie/Ausrichtungs-Spagat zwischen endgültigen Jump the Shark-Moment und Wollmilchsau-geneigter Frischzellenkur gelingt aber alleine dahingehend regerecht süchtig machend, als dass Mastodon mit Emperor of Sand ihr bestes Album seit dem Abschluss (…) der Elemente-Tetralogie vorlegen.
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