Massive Attack – Ritual Spirit
Das spektakulärste an dieser eine annähernd 5 Jahre dauernde Studioauszeit beendenden Comeback-EP ist gar nicht die Tatsache, dass Massive Attack tatsächlich erstmals seit 1994 wieder gemeinsame Sache mit Tricky machen – sondern schlichtweg die Qualität der vier aufgefahrenen Songs!
Es liegt allerdings durchaus auch an der beunruhigenden Aura von Adrian „Tricky“ Thaws, der sich im Wechselspiel mit 3D Robert Del Naja durch die so entspannt wie gefährlich, wunderschön wie bedrohlich wandelnde Beinahe-Ballade zur Liebe stalkt, dass sich ‚Ritual Spirit‚ stimmungs- und soundtechnisch durchaus als Rückbesinnung auf die Zeit zwischen ‚Mezzanine‚ und ‚Blue Lines‚ anfühlt, obwohl Massive Attack hier im Grunde doch vor allem die songorientierten, stilistisch wild umherziehenden Metamorphosen von ‚Heligoland‚ weiterdenken, ausformulieren und verdichten.
Jede Nummer auf ‚Ritual Spirit‚ trägt unverkennbar die Handschrift von Mastermind Del Naja und seinem langjährigen, externen, kongenialen Produzentenkumpel Euan Dickinson, ist hochklassige Massive Attack-Qualitätsware, die sich dabei jedoch mühelos um die Vorzüge der geladenen Gäste anschmiegt, deren musikalische Charakterzüge in den bandinternen Soundkosmos einbindet. Und dies zudem homogener tut, als die Streifzüge auf ‚Heligoland‚, dabei vor allem auch eine faszinierende Sogkraft entwickelt, die den vorangegangenen Veröffentlichungen der Kombo in dieser gebündelten Intensität abgegangen waren.
Das herzrhythmische ‚Dead Editors‚ eröffnet als ein wellenförmig um ein Sample von Herbie Hancock’s ‚Watermelon Man‚ gebastelter Elektroniksong mit detailliert schnipselnden, traumwandelnd tanzbaren Beats und wummernden Bass. Die Soundflächen scheinen immer ein wenig gegen den Strich zu laufen, beinahe noisig aufgerieben und dennoch butterweich in Trance verdichtet. Das Ergebnis ist gleichzeitig mächtig schiebend und filigran stacksend, der transzendierende Flow von Roots Manuva verweilt meditativ im Mittelpunkt; soulig, gespenstig, konzentriert. Ein triphoppiger Leckerbissen!
Der überragende Titelsong beginnt dagegen wie ein ausgebremster Remix von MGMT’s ‚Time to Pretend‚, entfaltet sich jedoch alsbald als perkussiv entschleunigtes Stammesritual. Azekel’s entrückter Falsettgesang nimmt an der Hand in andere Sphären, die Handclaps erinnern an ‚Paradise Circus‚ und eine anderweltartig schwebende Schönheit mit bedrohlichem Subtext – melancholisch, erhaben, in sich gehend und mutmaßlich das Highlight der stärkeren ersten EP-Hälfte.
Mittels ‚Voodoo in My Blood‚ schicken sich die schottischen Young Fathers dann im Strom treibender Radiohead-Gitarren an die besseren TV on The Radio werden zu können; Massive Attack legen die dem Trio die Grundlage für digital-organischen Soul mit rockiger Kante. Stakkatohafte Rap trifft auf einen verstörend klaren Instrumentalfluss, der immer unbarmherziger über alle Ufer tritt, so drückend und doch so leicht. Ähnlich unangestrengt intuitiv in seiner fesselnden Abgründigkeit treibt dann ‚Take It There‚ hinaus. Vor allem die atmosphärische Präsenz, die Tricky alleine mit der Sogwirkung seiner Stimme erzeugt, wirkt hier als imposante Gravitation, spannt aber auch den Bogen zwischen alten Stärken und neuen Tugenden.
„Me and Tricky wrote some new tracks in Paris last year, which haven’t seen the light of day yet – but that was fun. They should be on the next album“ erklärt Robert Del Naja bereits 2013 und rechtfertigt die lange Wartezeit nun absolut eindrucksvoll, sogar nahe einer abgeklärten Makellosigkeit. Ist ‚Ritual Spirit‚ insofern ein adäquater Ausblick auf das sechste Studioalbum von Massive Attack, darf man die Erwartungshaltung diesbezüglich hiernach mindestens auf eine Ebene mit den besten Momenten von ‚100th Window‚ und ‚Heligoland‚ stellen.
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