Maruja – The Vault
Maruja geben mit The Vault einen 86 minütigen Proberaum-Einblick in den aus improvisierten Jam-Sessions geborenen Entstehungsprozess ihrer artpunkigen Jazz-Postrock-Kunstwerke. Das ist gigantisch – aber könnte selbst ausgewiesenen LoFi-Verfechtern Ohrenkrebs besorgen.
Die vierköpfige Band aus Manchester diktiert am Übergang zwischen Freizeit-Projekt und Broterwerbs-Tätigkeit zu den aufgefahrenen Quasi-Demos einen Beipackzettel:
„Every track we write is spawned from improvising together, a practice the 4 of us have obsessed over for the better part of a decade. Jamming is a place where we can completely let go and unleash our emotions sonically.
A phone in the middle of the rehearsal room records every jam we do and we have finally decided to release The Vault. It is a collection of 6 of our favourite jams we recorded between 2021-2023, it is Maruja in our purest form.“
Selbst wenn man das Material um Knocknarea (2023) und dem aktuellen Connla’s Well gebührend abfeiert, ist dieser Mitschnitt also eine Angelegenheit, die nicht jeder Fan von Maruja brauchen wird – was alleine an der Soundqualität liegt, die, eben den Umständen entsprechend, wirklich alles andere als hochwertig ist: roh, ungeschliffen und dünn. Keineswegs unhörbar, aber nicht mit der angebrachten Kraft packend, brüchig scheppernd.
Abseits davon ist dieser Einblick in den Arbeitsablauf der Band aber das subjektiv beste, was die Briten bisher veröffentlicht haben: Maruja im Jam-Modus, befreit vom Korsett des Songwritings, zeigt die Sogkraft der Gruppe in ihrem wahren Ausmaß. Es ist einfach grandios zu hören, wie sich Harry Wilkinson (vocals, guitar), Joseph Carroll (saxophone), Jacob Hayes (drums) und Matt Buonaccorsi (bass) in fiebertraumartigen Odysseen verlieren, ein Chaos aus Kreativität bündeln und beim Suchen und Finden von Themen wie eine freejazzige Postrock-Psych-Trance zwischen Godspeed You! Black Emperor, Les Rallizés Dénudés und Swans an ihrem Sound schürfen.
Wenn ein überragendes Breaking Inertia über 26 Minuten durch mystische Landschaften wandert, könnte dies also gerne noch ewig weitergehen, so fesselnd ist das. Das abrupte Ende im manischen Tunnelblick I Could See schmerzt dafür umso mehr und die rumpelnde Kakophonie von Dagda sollte eigentlich Magengruben aushöhlen. Studioversionen dieser monolithischen Song-Leviathane sollten eigentlich unumgänglich sein. Denn ein bisschen ist das Eintauchen in The Vault so, als würde man in weiter Ferne den Staub einer markerschütternden, legendär sein könnenden Karawane sehen, deren Magie jedoch in dieser Form nicht ganz greifbar werdennd als Fata Morgana zwischen den Fingern zerrinnen.
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