Mark Lanegan, Creature with the Atom Brain, Duke Garwood, Lyenn [26.11.2012 PPC, Graz]
Da unterstreicht eine Veranstaltung, dass manche Dinge wohl einfach so bleiben, wie sie sind: Mark Lanegan etwa wird auch nach seinem Graz-Gig nicht der Ruf voraus eilen, eine Partykanone und enthusiastische Endorphinfabrik zu sein; und der Klang im PPC wird wohl auf ewig potentiell so katastrophal sein, dass er einem locker den (Konzert-)Abend vermiesen kann.
Doch der Reihe nach. Wer unpünktlich genug ist, die veranschlagte Beginn-Zeit von 20.00 Uhr nicht einhalten zu können, hat Lyenn vereits verpasst und erlebt um 20.30 Uhr gerade noch rechtzeitig, wie Duke Garwood mit seiner elektrischen Westerngitarre auf die Bühne marschiert und fortan mit kaum nachvollziehbaren Blues-Akkordfolgen, schrägen Zwischenton-Anschlägen und kargen Feedback-Arbeiten gegen die Geräuschkulisse von der Bar anzuspielen. Das ist mindestens ebenso sperrig konsumierbar wie auf eine unkonventionelle Art und Weise faszinierend, stimmlich und ästhetisch irgendwo in der Grauzone zwischen dem Eventuell-Bald-Kooperationspartner Mark Lanegan, Josh T. Pearson und einem beliebigen Mitglied der Nick Cave-Musikerentourage einzuordnen.
Die Belgier Creature with the Atom Brain agieren danach, wie man sie kennt: kraft- und druckvoll, unheimlich präzise und immer dem schwer walzenden Groove ihrer Mischkulanz aus Stoner und Alternative-Rock verschrieben. Da wachsen repetitive Sound-Berge und -Täler stets, um am Ende immer bei einem meist stur durchgezogenen Grundmotiv hinter der ausgewalzten Jam-Wurst anzukommen – die wirklich packenden Ideen, Melodien und zündenden Momente fehlen dem massiven Quartett aus Antwerpen jedoch auch im achten Bandjahr. Einzig: diesmal scheinen Creature With The Atom Brain noch lauter zu wüten als sonst, selbst im hintersten Bereich des PPC ist die Überlegung nach Ohrenstöpsel keine verrückte, zumal die hohen Töne in hier traditionellerweise schmerzen, die Location immer noch jeden Loudness War spielend gegen Platten wie ‚Death Magnetic‚ und Konsorten gewinnen würde.
Zeit um die Ohren auszuruhen bleibt danach genug, die enervierende Pause um den veranschlagten Lanegan-Starttermin einzuhalten zieht sich in Vorfreude eine gefühlte Ewigkeit. Langweilige muss jedoch keine aufkommen, hat der Merchstand doch Bootleg CD’s zu Säue füttern im Angebot, was die Tatsache, dass die eigentlichen Tourschmankerl bereits alle weg sind dann auch ein wenig mildern kann. Dazu füllt sich das PPC langsam aber sicher, auch wenn es leider zu keinem Zeitpunkt des Abends dem altehrwürdigen Besuch angemessen besucht sein wird. Wer will darf dann noch rätseln, was da für den am Vorabend seinen 48 Geburtstag feierenden Lanegan neben die Setliste (übrigens die exakt selbe, wie bei jedem Haltepunkt der aktuellen Tour) geklebt und sorgsam vor neugierigen Blicken schützend verdeckt wird.
Egal: als der in stetiges rotes Licht getauchte Lanegan und seine stramm agierende Band dann mit ‚The Gravedigger’s Song‚ starten, zeichnen sich schnell zwei Dinge ab. Der rockigere Sound, der vor allem durch den kompetenten, von The Creature With the Atom Brain geliehenen Schlagzeuger Michael Lawrence getragen wird, er steht den synthetischen Songs von Lanegans aktueller, siebenter Soloplatte ‚Blues Funeral‚ theoretisch ausgezeichnet. Praktisch aber kommt zum schlimmen Raumklang der PPC-Anlage diesmal noch ein grottiger Soundmix der seinesgleichen sucht und jeden Spaß verdirbt: die Gitarre heult zu laut über dem restlichen Klangbrei, irgendwo darunter darf man Lanegan’s Stimme vermuten, die nur selten so ausgeleuchtet wird, wie es sein sollte; in den besten – zurückgenommenen – Momenten zumindest nicht vollends von der Musik verschluckt wird und zumindest ansatzweise klar hörbar wird.
Wirkliche Stimmung will deswegen nur in schaumgebremsten Ausmaß aufkommen, zumal die Liveperformance von Lanegan guten Gewissens als reduziert bezeichnet werden kann: mit versteinerter Miene betritt er die Bühne, krallt sich an seinem hühnenhaften Mikroständer fest und bewegt sich von dort für die folgenden 18 Songs nahezu keinen Zentimeter dort. Nach sechs Songs gibt es eine der insgesamt drei elaborierten Zwischenansagen („Thank you very much!„), ein Lächeln kommt Lanegan dabei nicht über die Lippen, Pausen zwischen den Nummern werden mit grimmigen Blicken auf die Band genutzt. Das passt schon so, ist Lanegan doch kein Pausenclown oder billiger Attention Seeker, trotzdem wirkt das über Gebühr unterkühlt, der Eindruck einer reinen Pflichtübung kommt immer wieder auf. Dass Lanegan sofort nach jedem Songende wie ein Boxer zwanghaft die Schultern kreisen lässt und unruhige Gesten vollführt, die wirken, als würde er sich Dreck vom Schuh wischen oder imaginäre Kippen austreten, wirkt zusätzlich verstörend; kurz: singt Lanegan nicht, wirkt er unnatürlich angespannt und hat darüber hinaus generell für niemanden Herzlichkeiten parat, weder für Mitmusiker noch Publikum.
Zufrieden stellt der reichhaltige Abend dann aber doch. Weil ‚Harborview Hospital‚ eine sexy U2-Gitarrenführung verpasst bekommen hat, Lanegan mit ‚Creeping Coastline of Lights‚ (Leaving Trains) und ‚Devil in my Mind‚ (Smoke Fairies) sauber über den Tellerrand blickt und ‚Black Rose Way‚ zwar nicht so toll ist wie das Screaming Trees Original, aber trotzdem äußerst gelungen, wie eigentlich jeder der solide abgespulten Songs. Mit ‚Methamphetamine Blues‚ und dem Desert Sessions/Queens of the Stone Age-Klassiker ‚Hangin‘ Tree‚ (obwohl die Mark Lanegan Band den Anfangsdruck nicht konstant aufrechthalten kann) folgt gar das beste zum Schluß. Dass der Stomper ‚Ode to Sad Disco‚ aber sogar mit wuchtigen Rockdrums die mühsamste Lanegan Nummer überhaupt ist, wollte man eigentlich nicht als Erkenntnis mit nach Hause nehmen. Darüber darf man sich Gedanken machen, wenn man den Heimweg eben bestenfalls zufrieden antreten kann, nicht aber begeistert. Vielleicht sagt es schon viel über das Konzert aus, dass die anwesenden Fotografen sich zu Konzertbeginn mühselig durch die ersten Reihen schieben mussten, während sie lange vor Ende der Setlist ohne Anstrengung durchspazieren hätten können. Und das hat sicher nicht am bizarren „Ausdruckstanz“ gelegen, den ein enthusiastischer Fan frontal vor der Bühne aufführte.
Kommentieren