Marissa Nadler & Stephen Brodsky – Droneflower
Marissa Nadler und Stephen Brodsky züchten sich ihr eigenes Nachtschattengewächs aus der Sacred Bones Alliance Series: Diese weihevolle Droneflower blüht in einem körperlosen Hauch sphärischer Dunkelheit.
Marissa Nadler war mutmaßlich durchaus bewusst, dass ihr ätherischer Geister-Folk sich mit July (2014) und Strangers (2016) vielleicht bereits ultimativ materialisiert hatte. Allerdings wohl auch, dass die Trennung von Stammproduzent Randall Dunn alleine in weiterer Folge nicht für die nötige Entwicklung und Neuorientierung auf der relativ sicheren, vorhersehbaren Verwalterplatte For My Crimes sorgte. Deswegen verschiebt Droneflower das Spektrum ihrer Klangpalette nun unspektakulär mit Hilfe von Musikern auf Augenhöhe: Neben der Zusammenarbeit mit John Cale für die Duett-Kollaboration Poison erweist sich ausgerechnet Stephen Brodsky (Cave In, Mutoid Man, etc.) als kongenialer Katalysator, um die Trademarks von Nadler vorsichtig neue Impulse zu versetzen, ohne diesen vollends zu untergraben.
Gemeinsam lösen die beiden Bostoner Nadlers Signature Sound schließlich weitestgehend vom songorientierten Narrativ und adaptieren ihn hin zu Drone und Ambient, locken die niemals gänzlich physisch werdende Stimme vom dunkel schimmernden Folk näher hin zum archaischen Country und transzendentalen Ethereal Wave. Brodsky setzt, ohne das Mikro selbst jemals in die Hand zu nehmen oder mehr als Tasten- und Saiteninstrumente in, dabei stets eher Akzente in den Arrangements, leuchtet Vertrautes immer wieder in neuen Facetten der Lichtscheuheit aus, sorgt für eine fast schon avantgardistisch aus dem Metal kommendes Flair in der Nähevon Emma Ruth Rundle, Earth und Chelsea Wolfe. Eine über die Hintertür kommende Symbiose, erstaunlich variabel und kurzweilig, die ihre Urheber als subversives Duo großartig miteinander harmonieren lässt – Nadler als Gravitationspunkt und Brodksy als drum herum spukender Regisseur.
Der Gothic affine Opener Space Ghost I gibt mit seiner schweren Klaviergetragenheit, über die Nadler ihr entrücktes Säuseln gleiten lässt, die lose Linie der Platte schon vor, bevor Part II diese Eindrücke später wie eine verschollene Supermachiner-Kontemplation mit Streichern in eine offenere Breite führt und allerlei Studio-Details subtil im Hintergrund passieren lässt.
Das repetitive For the Sun ist beinahe Doom mit den heavy Mitteln des Dark Folk und Watch the Time klingt wie die Halluzination eines wettergegärbten Dylan Carlson-Deliriums. In Dead West tritt eine bekümmert entschleunigte Americana-Ahnung den ungewissen Gang in die Nacht an, während der wundervolle Morgentau Shades Apart gar eine leise Sonne der Mazzy Star-Hoffnung aufgehen lässt – zumindest klingt die Gitarre ausnahmsweise tröstender, auch wenn die im elegischen Hall durchatmende Nummer abrupt verschwindet. Die Blüten dieser Droneflower ziehen ihre Lebenskraft eben auch aus ihrem verwelkenden und zeitlos überdauernden Wesen, sind sphärisch, einsam und dunkel, tragen einen stillen Weltschmerz, der seltsam körperlos bleibt.
Immer wieder gibt sich Droneflower so eher einer Ästhetik hin, anstatt klassisches Songwriting zu forcieren. Buried in Love ist so nichts anderes als eine Klanglandschaft in Trance, ein immer weiter abtauchendes Sinnieren. Und Morbid Mist klampft andächtig, aber gleich noch mäandernder im Nebel. Alleine diese beiden Stücke zeigen, dass ein restlos konsequentes Ausarbeiten des Materials nach konventionellen Schemen (weder aus der Sicht von Nadler, noch aus jener von Brodsky) nicht Ziel dieser Kooperation gewesen sein kann.
Weil die beiden über weite Strecken geradezu skizzierend arbeiten und das bewusst unkonkret verschwimmende Wesen der Kompositionen selten in greifbarere Strukturen übersetzt, sind es zwar die beiden Coversongs im Gefüge, die auf konkretere Substanz mit klare Konturen setzend nicht nur am deutlichsten herausragen, aber gar nicht unbedingt jene, die auch am nachhaltigsten befriedigen. Trotzdem liefert Droneflower hier überragend ab.
Für Ihre Interpretation von Estranged ziehen Brodsky und Nadler dem Guns N‚ Roses-Stück alle pompöse Theatralik vom Leib und beschwören aus dem Korpus einen aus dem Westernstaub kriechenden Minimalismus, in der selbst bösartig bratzende Gitarren oder die Beerdigungsorgel eine fürsorgliche Anmut aufbringen, so dass die griffigen Hooks sich in ein wärmendes Bett aus skelettierter Rohheit wiegen können. Das Conclusio der Nummer bleibt übrigens auch in dieser Version eine der schönsten Auflösungen aller Zeiten. Und in In Spite of Me streichelt das tröstende Noir-Saxofon den abgründigen Optimismus durchaus aufmunternd – etwas, dass Gast Dana Colley im Original ihrer Band Morphine ironischerweise nicht durfte.
Sie begleitet den Closer so jedenfalls in eine schüchtern lächelndes Finale, das ohne dezimierten Climax alleine zurück lässt, die Katharsis der Platte als unverbindliche Option aufzeigt. Trotzdem – oder gerade deswegen – ist Droneflower ein Album wie aus einem Guss, das im homogenen Gesamtfluss über die wunderbare Geschlossenheit seiner tiefgehenden Atmosphäre einnimmt und über diese beinahe ambiente Stimmungsebene die Schönheit seiner nebulösen Melodien erschließt. Auch schafft sie den Nährboden für zukünftiges, indem sie sowohl Brodsky als auch Nadler im Nuancen aus den jeweiligen Komfortzonen lockt, dabei aber im Grunde nur eine neue Beschaffenheit für angestammte Wohlfühlbereiche erschließt.
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