Marilyn Manson – Born Villain
von Oliver am 30. April 2012 in Reviews
Ein minimaler Formanstieg und weniger Totalausfälle. Brian Warners achtes Studioalbum bietet eine souveräne Rundschau durch das klassische Altraumkabinett aus stampfendem Industrial, dezenter Elektronik und gar nicht so bitterbösem Metal.
Von einer neu gewonnenen künstlerischen Freiheit redet Brian Warner, wenn er über ‚Born Villain‚ berichtet. Wirft Begriffe wie „Suicide Death Metal“ in die Waagschale und nickt Statements von Twiggy Ramirez ab, in denen der Bassist über das bisher beste Marilyn Manson Werk jubiliert, die „Punkrock Version von ‚Mechanical Animals‚“ ankündigt. Dabei meint er eigentlich, dass es Warner Music angesichts der Verkaufszahlen der letzten beiden Alben ‚The High End of Low‚ und ‚Eat Me, Drink Me‚ einfach zu bunt wurde und man den Vertrag mit Manson nach 16 Jahren schlicht gekappt hat – deswegen also die Veröffentlichung über den Indie Cooking Vinyl. Dass der Umstieg einen nennenswerten Einfluss auf die Musik der amerikanischen Band hätte, darüber lässt sich auch schlecht diskutieren. Marilyn Manson spielen nach wie vor ihren am Hard Rock und Metal geschulten Industrial mit straker Glamattitüde. Da macht es nichts, dass die Schminke längst verwischt ist, der Schockeffekt endgültig ausbleibt und sich die Songs nicht mehr an der Entrüstung besorgter Eltern aufreiben können, die Warner mittlerweile als freundlichen Vocalcoach mit Sexfixierung kennen gelernt hat.
Ob es die größere Bürde für Manson ist, unter dem Banner musizieren zu müssen, als einstiges Schreckgespenst der Musiklandschaft mittlerweile als kultivierter Kunstsammler mit immer zahmer agierenden Metalband wahrgenommen zu werden oder aber, dass es in der Ecke, die er seit beinahe zwei Jahrzehnten beackert dank der beiden Meisterwerken ‚Antichrist Superstar‘ und ‚Mechanical Animal‚ schlicht nichts mehr zu holen gibt, darauf lässt ‚Born Villain‚ keine eindeutigen Rückschlüsse zu. Die Songs tragen immer noch zu erwartende Titel wie ‚Hey, Cruel World…‚, ‚Children of Cain‚ oder ‚Murderers Are Getting Prettier Every Day‚, greifen immer noch auf mechanisch gestemmte Rhythmen zurück, in welche dann und wann energische Gitarrenriffs hacken um im Refrain die Hölle im Stadion ausbrechen lassen zu können. Das ist mittlerweile genauso kalkuliert wie in seiner schonungslosen Selbstplagiatisierung konsequent, nur die frischen Ideen, die bleiben eben außen vor. Keine Sekunde auf ‚Born Villain‚ vergeht, ohne in der eigenen Vergangenheit zu graben. Es klingt gut, wenn man dem achten Album der Band zugesteht, das beste Werk seit ‚Holy Wood (In the Shadow of the Valley of Death)‚ – oder zwölf Jahren – zu sein, doch ist die größte Leistung der Platte letztendlich, nur nichts so schlecht zu machen, wie es eben jene inzwischen veröffentlichte Werke taten.
Wobei man ‚Born Villain‚ damit auch unrecht tut, unterhält die Platte doch über weite Strecken auf einem respektablen Niveau, trotz einiger Längen: ‚Hey, Cruel World…‚ kommt über knapp vier Minuten nicht aus sich heraus, ‚No Reflection‚ darf als Gradmesser für die Abfärbung dienen, welche die Tour mit Rammstein hinterlassen hat. Die Melodien konzentrieren sich auf den Gesang, die Gitarrenarbeit dümpelt unterstützend neben her. Die gezeigten Zähne, sie sind immer noch zu oft aus Plastik. ‚Pistol Whipped‚ sucht nach seine düstere Atmosphäre am Reißbrett, ‚The Flowers of Evil‘ bedient sich wie so viele Songkumpanen auf ‚Born Villain‚ eines unnötig langen Intros, um dann am Allzweckplan spazieren zu gehen: zu stampfende Beats gesellen sich mysteriöse Klänge aus der Konserve die den Weg zum ausladenden Refrain ebnen, der dann auch ausgiebig zelebriert wird. Die herausragenden Hits treten für die stimmige doch höhepunktlose Masse in den Hintergrund. ‚Born Villain‚ muss nicht zu jedem Zeitpunkt heavy riffen, gefällt sich immer wieder als sinistre Stimmungsburg mit Rückgrat im Synthesizer – auch wenn Chris Vrenna schon längst wieder weg ist. Das geht nicht immer auf, aber eben auch niemals wirklich in die Hose. Business as usual vom Schockrocker im weitesten Sinne.
Symptomatisch deswegen das Ende von ‚Born Villain‚: Wieder einmal fällt Marilyn Manson nichts besseres ein, als im Fundus alter Gassenhauer zu wildern und diese durch seine Industrialrock Presse zu jagen. Diesmal fällt die Wahl auf ‚You’re So Vain‚ von Carly Simon, Hollywoodmensch Johnny Depp darf markant an der Gitarre mitrocken. Natürlich fügt das Ergebnis dem Gesamtprodukt Manson keine neuen Facetten hinzu, ist im Grunde unnötig und wenig geistreich der einfachste Kunstgriff um die Verkaufszahlen anzukurbeln. Aber eben doch auch wieder unterhaltsam. Womit ‚You’re So Vain‚ stellvertretend für das gesamte achte Album Warners steht. Braucht man dieses doch nur noch bedingt, ist es aber zumindest kein Ärgernis mehr. Die Verwandlung vom Schreckgespenst zum geschminkten Entertainer ist längst abgeschlossen, der schmale Grad, der seine musikalische Reputation über die Grenze zur Clownerie und Selbstparodie jagt ist wieder außer Reich-, aber immer noch in Sichtweite.
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