Many Blessings – Emanation Body

von am 29. Mai 2020 in Album

Many Blessings – Emanation Body

Primitive Man-Vorstand Ethan Lee McCarthy führt sein Alter Ego Many Blessings auf dem zweiten Studioalbum Emanation Body vom Harsh Noise-Projekt zu einem cinematographischen Ansatz.

I just wanted to have more of a spectrum of options with this project than just being limited to just being harsh only… Just trying to add some variety for myself. Spice of life.“ umreißt McCarthy den Ansatz einer lange auf ihre Veröffentlichung warten lassende Platte („It’s over 18 months of being finished. It took some time to find a label and get it out there.“) und erklärt damit durchaus, weswegen Emanation Body sich über weite Strecken tatsächlich wie ein Soundtrack zu einem imaginären Kopfkino-Delirium Tremens anfühlt. Und einem Entwicklungsschritt, der als Versprechen für die weitere Zukunft von Many Blessings zu verstehen ist.

Denn um es vorwegzunehmen: Letztendlich werden sich die versammelten 44 Minuten den Vorwurf gefallen lassen müssen, das Spektrum des Soloprojektes zwar zu erweitern und dabei auch in eine noch fesselndere Weite vorstoßen zu lassen, als Ripe Earth es 2018 noch konnte, dabei aber eben noch nicht am Limit des neu gewachsenen Potentials zu agieren.
Immer wieder bleibt der Eindruck, dass für Many Blessings hier einfach noch mehr in Griffweite möglich gewesen wäre, um die fünf Stücke intensiver und originärer auf den Punkt zu bringen. Dass Emanation Body zudem eher ein Prisma aus ästhetischen und atmosphärischen stimmigen Einzelstücken bleibt, eine Songsammlung unter kohärenten Banner quasi, beschneidet die Tiefenwirkung der tonalen Mikrokosmen zusätzlich ein klein wenig.

Die imaginativen Gravitation der Platte verliert dadurch allerdings nur bedingt an Vehemenz.
Invocarion erwacht mit sedativer Annäherung an einen Beat in eine beklemmende, kalte Leere, nautisch und endlos, klaustrophobisch und unangenehm, taucht McCarthy immer weiter ab. Bedrohliche Frequenzen schwellen massiver an, subversive Aggression bedrängt mit nihilistischer Gewalt, die gleichzeitig körperlos scheint aber physisch dennoch einnimmt – und angesichts der lange zugestandenen Aufbauphase zu abrupt beendet wird.
Immersion löst in der halluzinogenen Distortion ein Gesangsmusik-Sample auf, das eine seltsame sinistre Verführung mit der verdaulichen Sinnlichkeit erschafft, jedoch immer weiter in die subkutan vibrierende Klangcollage abdriftet und dort verloren geht. Pandæmonium ist sakrale Tempelmusik für Industrial-Zeitalter, die sich zwischen Pharmakon und The Body zu einem fauchenden Albtraum für Blade Runner-Androiden entwickelt, der in einem digitalen Schlachthof endet, in dem digitale Schafe schreiend in den Wahnsinn getrieben werden. Aus rein kompositioneller Sicht, aber auch als szenisch arbeitender Stimmungskonstrukteuer, hat McCarthy als Many Blessings noch nicht triumphaler abgeliefert als hier.

Das bis dahin gehaltene Niveau kann Emanation Body in weiterer Folge jedoch leider nicht halten.
Weil das verstörende Ruina zwar als hektisch unter Beruhigungsmitteln kreisender Rausch über nur viereinhalb Minutenzu fragmentarisch bei einer einnehmenden, faszinierenden Idee bleibt, diese aber nicht entwickelt. Mehr noch aber, weil das bereits bekannte Harm Signal im Kontext der Platte besser funktioniert denn als willkürlicher Teil eines Samplers, gerade wenn das asynchron pulsierende Finale als vager Extremismus einen feinen Bogen zu Invocation spannt, davor aber zu lange ein typisierter Standard bleibt.
Es gibt also neben großartigen Highlights auch weniger essentiell aus dem noise-affinen Ambient-Kontext herausragende Momente auf diesem („focused less on aggression and more on vibe and movement„) Übergangswerk, dessen Nachfolger bereits zu Teilen im Demo-Status existiert.

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