Magdalena Bay – Imaginal Disk
Believe the Hype: Mica Tenenbaum und Matthew Lewin alias Magdalena Bay treffen mit ihrem Zweitwerk Imaginal Disk den zeitgemäßen Pop-Nagel ziemlich ideal auf den Synth-Kopf der 80er.
Mag dem in Florida ansässigen Duo mit Mercurial World vor drei Jahren auch schon ein ziemlich starkes Debüt gelungen sein, das Magdalena Bay aus dem Stand heraus über dem Status einer vielversprechenden Zukunftsaktie etablierte, überrumpelt die immense Leistungssteigerung, die die beiden Musiker mit argentinischen Wurzeln nun (aus dem Windschatten des vorausgeschickten Mini Mix Vol. 3-Mixtapes preschend) auf dem in jeglicher Hinsicht alle bisherigen Tugenden optimierenden Zweitwerk zeigen, dann doch: Imaginal Disk will mehr, traut sich mehr, und kann deswegen letztendlich auch mehr als Mercurial World.
Durch ein beinahe esoterisch zu entschlüsselndes Sci-Fi-Konzept (entlang der Zwischenspiele True Blue Interlude und Feeling DiskInserted?) verbunden und in seiner traumhaften Ästhetik so homogen in sich geschlossen, dass die 15 Tracks der Platte als Ganzes zu mehr als der Summe ihrer Teile werden, macht es einfach Spaß, Popmusik derart kreativ, unverkrampft und ambitioniert agierend zu hören. Imaginal Disk bewegt sich locker verspielt durch seinen Kosmos aus Melodien und Hooks, gleicht einem neugierigen Freudentaumel der Euphorie, ist dabei kompositorisch ebenso klassisch geprägt wie modern ausgerichtet, und dazu dermaßen detailliert und vielschichtig produziert, dass es gefühlt ständig neues in dieser Fusion aus Vertrautheit und komplexer Neugierde zu entdecken gibt. Über den hohen Erwartungen liefernd kommt diese faszinierend inszenierte Spiel- und Lebensfreude also einem veritablen Spektakel (als natürlichste Sache dieser Fantasie-Welt) gleich.
Bei aller Begeisterung ist Imaginal Disk freilich nicht makellos.
Das anachronistische Kaleidoskop spannt so zwar etwa durchaus den Bogen vom psychedelischen Bedroom-Kern zum cinematographisch-
Ein reeler Schönheitsfehler liegt dagegen bei den rund 53 Minuten Spielzeit. In diesen tummelt sich tatsächlich kein auch nur annähernd schwacher Song (höchstens der vergleichsweise unverbindlich mäandernde Weltraum-Pop von Watching T.V. ist trotz seines schön erblühenden Ziels kein restlos essentieller Bestandteil). Das Volumen reizt die Aufmerksamkeitsspanne durch die so bedingungslos in sich geschlossene Ästhetik jedoch irgendwann aus, in manchen Phasen beginnt sich das Album zu ziehen. Gerade hinten raus wirkt der Spannungsbogen etwas weniger prägnant auf den Punkt gebracht, wenn Cry for Me seine Streicher sentimental aus der Zeit löst und sich dahinter sphärisch durch die Disco mit relaxtem Lounge-Ambiente treiben lässt, um gefühlt ein letztes Mal die Good Vibes-Ausstrahlung von Imaginal Disk zu feiern -nur damit das versöhnliche Angel On a Satellite erst so lange wie der aus der Zurückhaltung geholte Abspann wirkt, wie sich die Band auf Klavier, Gitarre und Tablas beschränkt. Dass der Reigen letztendlich doch von orchestralen Arrangements für die übliche Sound-Palette abgeholt wird, erscheint einfach redundant und trägt seinen Teil zum Rückkehr-des-Königs-esken vierten Viertels der Platte bei. Zumal mit dem fabelhaften The Ballad of Matt & Mica die entspannte Mitsing-Party irgendwo zwischen Doogie Howser-Spektrum, bodenständiger Muppet-Hedonismus und gefühlvollem Singalong auch danach noch einmal aufgedreht wird.
Verständlich aber, dass Mag Bay derartige Songs nicht abseits des Album-Mutterschiffs zurücklassen und lieber minimale Einbußen in Sachen Pacing hinnehmen wollten.
Zumal das Sequencing der Scheibe praktisch makellos gelungen und Imaginal Disk ist wie aus einem Guss geraten ist. Neben offenkundigen Über-Highlights wie dem mit geschlossenen Augen auf der Tanzfläche von Vorbildern wie Robyn jubilierenden Smasher Image oder dem mit jazzig brutzelndem Groove um den Synthwave klimpernden Death & Romance geben sich die Hits praktisch nahtlos die Klinke in die Hand, mit jedem Durchgang wechseln die Krone für den Lieblingssong den Besitzer – gerade in der mehr oder minder makellosen ersten Hälfte des Albums.
Im glitchenden Hintergrund von She Looked Like Me! ballern die wummernden Beats mitunter heavy peitschend, kontrastiert von den niedlich-bittersüßen Vocals und die lockere Rhythmik des halluzinogen ausfransenden Killing Time ist praktisch alles, was man sich aus einer Symbiose von Tennis und Sweet Trip erhoffen könnte.
Fear, Sex nimmt den Zug erst etwas aus dem kurzweiligen Fluß heraus, lässt seine präzisen Beats dafür umso härter auf das Durchatmen prasseln, bevor Vampire in the Corner kontemplativ funkelnd und pluckernd einer Indietronic-Klavierballade erstaunlich nahe kommt, bis der Knopf sich eruptiv löst. Tunnel Vision läuft kreiselnd zum Hollywood-Klimax, dreht dann aber ab und löst die Spannungen wie ein Bubblegum Rock der 80er: zu keinem anderen Zeitpunkt ist deutlicher als hier, dass Magdalena Bay ursprünglich Progressive Rocker namens Tabula Rasa waren. Dass ihr damalige Schlagzeuger Nick Villa auf beinahe jedem Song hier zu Gast ist, ist dennoch stets spürbar.
That’s My Floor bleibt ein am Bremspedal stehender Space-Banger mit bratzendem Tieftöner, der die repräsentativ Kinderlied-taugliche Melodie mit quietschenden Instrumenten durch den Verstärker jagt, nachdem Love is Everywhere nonchalanter mit einem Funk-Appeal am Bass schwelgt, Soundtrack-Arrangements auffährt und dann auch noch einen selbstreferentiellen Bogen zum Opener spannt – damit aber eigentlich mindestens das ganze Genre umarmt: An Imaginal Disk muss sich der wunderbare Pop bis auf weiteres messen lassen.
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