Machine Head – ØF KINGDØM AND CRØWN
Im ständigen Auf-und-Ab des Machine Head’schen Qualitäts-Niveaus gehören Niederlagen ebenso zur Geschichte von RØb Flynns Band wie überraschende Comeback-Triumphe. An sich gute Vorzeichen für ØF KINGDØM AND CRØWN.
Denn bei aller Liebe: Weiter bergab hätte es für Machine Head nach Catharsis und dem darauf folgenden knappen halben Dutzend an Rohrkrepierer-Singles eigentlich nicht einmal mehr gehen können, nachdem auch noch beinahe die gesamte Belegschaft das sinkende Schiff von Edgelord-Kapitän Robb Flynn verlassen hatte.
Dass ØF KINGDØM AND CRØWN nun eine derart klare Kurskorrektur in der Formkurve für die personell (mit Robb Flynn, Wacław Kiełtyka, Jared MacEachern und Matt Alston – der hier aber noch von Session-Schlagzeuger Navene Koperweis vertreten wird) neu besetzte Gruppe vollziehen würde, hätten tatsächlich aber freilich wohl nur die hartnäckigsten Optimisten zu hoffen gewagt. Doch es stimmt: Vier Jahre nach Catharsis ist ØF KINGDØM AND CRØWN das Album geworden, das im Thrash mit Elementen aus dem Groove- und Alternative Metal-Core, Doppel Leads und einer Elimination aller Experimente durchaus an The Blackening und Unto the Locust anschließt. Alleine und vor allem das hastig gallopierende Chøke øn the Ashes øf Yøur Hate wäre als tackernder Aggressor auch auf diesen Alben ein unbedingt mitreißendes Ventil gewesen, das als Paradebeispiel für die wiedergefundene Prägnanz von Machine Head im Jahr 2022 steht. Griffig, eingängig, dringlich.
Allerdings leistet sich das zehnte Studioalbum der Amerikaner dann doch zu viele sich summierende Schönheitsfehler und Geschmacklosigkeiten, um besagte Heydays wirklich restlos aufzugreifen.
Das liegt mehr als an allem anderen an Texten, die das (von Attack on Titan inspirierte) Konzeptwerk ØF KINGDØM AND CRØWN im schlimmsten Fall zu einem Cringe-Inferno mit akutem Fremdscham-Abonnement machen, auch abseits davon jedoch pathetisch banalisierenden Baukasten-Stumpfsinn und triviale Schlagwort-Kombinationen liefern. Gerade im Verbund mit Flynns zum pathetischen Schmonz abdriften könnenden Vortrag neigt der 55 jährige so phasenweise zu einem ärgerlichen Kitsch-Feuerwerk.
Ein Slaughter the Martyr (das aus der atmosphärisch-düsteren Depri-Nachdenklichkeit erwacht, dann wirklich stark ausbrechend nach vorne brettert, und an sich ein Epos mit ordentlich Druck und ein paar tranigen melodischen Passagen sein könnte, das in hymnisch schwelgenden Finale aufgeht), Bløødshøt (das rockt wie zum Thrash getriebene Slipknot) oder Røtten (ein aggressiver, wahlweise straighter und/oder eindimensionaler Wut-Batzen mit billigen Fade-Out) sind aufgrund ihrer inhaltlich vor billigen Plattitüden nur so strotzenden Einfalt trotz aller sonstiger Stärken jedenfalls beinahe unangenehm zu hören und verkaufen den passierenden Tumult definitiv unter Wert.
Generell sind es dabei übrigens gerade die Klargesang-Passagen der Platte, die zu bemüht und theatralisch viel Substanz von ØF KINGDØM AND CRØWN unterminieren.
Die Abrissbirne Becøme the Firestørm gönnt sich etwa leider unpassende Boysetsfire-artige, wehklagende Emo-Backings und überspannt den Bogen zu melodramatisch gestikulierend, bevor My Hands Are Empty den Stammes-Chant-Score für das Stadion als geistlose Mitgröhl-Animation überhöht – und dann wie einige der Cleans auch noch mit Autotune bearbeitet zu sein scheint. Nø Gøds, Nø Masters wäre an sich ein zwingender Kraftprotz von einem Song, schießt aber mit seinen Arena-„Nooooohhhooooooooo“s dort über das Ziel hinaus, wo Trivium das unlängst weitaus runder hinbekommen haben.
Durchaus symptomatisch: Flynn setzt praktisch in jedem Song die Brechstange zur penetranten Mainstream-Gefälligkeit an, repetiert diese zudem mit einer aufdringlichen Vehemenz, dass der gallige Pathos einfach nervend übersättigt.
Nur wenn die grundlegende Balance stimmt, funktioniert das schließlich auch mit elaborierter Kante: Unhalløwed blüht als selbstmitleidige Ballade im Schönklang samt sporadisch hinausgeschleuderter Riff-Heaviness auf, mäandert nur kurz, und bündelt am Ende seine Frontalität. Arrøws in Wørds Frøm the Sky scheint seine Vocals abermals mit Studioeffekten gebügelt zu haben, initialisiert auch eine ähnlich flehende Depri-Atmosphäre wie Unhalløwed, kommt dem Linkin Park’schen-Formatradio-Alternative Rock dabei aber mit geballt in den Himmel reckenden Fäusten noch näher, obwohl eine konsequenzfrei angedeutete atonale Death-Verkleidung einen gewissen Reiz mit der Diskrepanz bringt.
Dass jeder Song energische Hochphase parat hält, wiegt letztendlich aber halbwegs auf, dass auch stets so viel Schatten fällt. Vom schwergewichtig am Midtempo stacksenden Kill Thy Enemies bleibt etwa vor allem der bestechende Groove hängen und nicht, dass der billig schunkelnde „Our hearts will never bleed/Our strength will never cede“-Part bagatellisiert.
Das gilt auch für andere suboptimale Entscheidungen – die viel zu steril auf Hochglanz polierte Dicke-Hose-Produktion in all ihrer fetten Wucht beispielsweise, die durchaus als Mittel zum Zweck zu verstehen ist, oder die etwas zu lange Gesamtspielzeit von knapp 60 Minuten, die gar nicht unbedingt um die drei latent redundanten Interludes (das monströs mutierende EKG-Laientheater Øverdøse; die leidlich interessanten Hörspiele Assimilate und Terminus) gekürzt hätte werden müssen, sondern eben um die Frequenz des Schmalzes.
Und trotzdem ist all das diesmal dann eben doch Jammern auf überraschend hohem Niveau, weil es schon ziemlich viel Bock macht, wenn Flynn und seine Mannschaft den beißenden Metal von der Leine lassen und extrem kompetentes, so effektives Songwriting mit einer tighten Performance ausgestattet trotz aller allgegenwärtigen Ambivalenz die Zähne zeigen lassen. Es ist halt nur auch ein leicht frustriertes Jammern, weil die Kampfansage ØF KINGDØM AND CRØWN eben mit ein bisschen Zurückhaltung und Understatement mehr als nur ein gutes Album hätte sein können. Als Comeback, welches einmal mehr vorführt, dass man Flynn und Machine Head niemals abschreiben sollte, erledigt ØF KINGDØM AND CRØWN aber auch so einen Job über allen Erwartungen – Vorzeichen hin oder her.
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