Machine Gun Kelly – Tickets to My Downfall

von am 3. November 2020 in Album

Machine Gun Kelly – Tickets to My Downfall

Richard Colson Baker alias Machine Gun Kelly ist eine pure Zumutung als Rapper – was seinen Stilwechsel zum Pop Punk potentiell zu einer guten Idee, Tickets to My Downfall aber eben noch lange zu keinem automatisch brauchbaren Album macht.

Tickets to My Downfall setzt nun also in Albumlänge dort an, wo I Think I’m Okay, der Closer von Hotel Diablo, im vergangenen Jahr aufgehört hat – nämlich bei einer Kooperation mit Tausendsassa Travis Barker (nunmehr weitläufiger Co-Songwriter sowieausführender Produzent) und eingängigen Gitarrensongs mit Powerpop-Kante und Punkrock-Tempo, die praktisch allesamt aus dem nebensächlichen Fundus von Blink-182 kopiert worden sein könnten.
An die ersten vier Studioalben des 30 Jährigen Colson erinnert ansonsten allerdings glücklicherweise nur noch wenig: Die rasselnden Trap-Facetten in Drunk Face oder im zudem von Autotune und Trippie Redd begleiteten All I Know sicher, auch die Beats von My Ex’s Best Friend (mit Blackbear auf der Gästeliste) oder das langweilige Amalgam Nothing Inside (mit Iann Dior) – sie alle unterstreichen übrigens, dass der subtil gesetzte Spagat zur Rap-Vergangenheit inszenatorisch homogen bewerkstelligt wird und die Features auf Tickets to My Downfall bestenfalls unnötiges Beiwerk sind.

Songs wie Bloody Valentine (mit seinem Killers-Synth-Drive), der 59 Sekunden-Sprinter WWIII, der Title Track oder Kiss Kiss zeigen dagegen, dass das Gespann aus Baker und Barker kompetent und deutlich über den niedrigen Erwartungen arbeitet, also zu solch eingängigen, schmissigen und kurzweiligen Nummern fähig ist, die keine Gedanken an störende Faktoren wie Authentizität oder emotionale Tiefe verschwenden müssen. Doch geht Tickets to My Downfall gerade am Stück schnell die Luft aus. Die (durch verschiedene Bonustracks auf bis zu 24 Stück erweiterbare) Trackliste fühlt sich wie eine (exklusiver der Interludes) 13 teilige, leidliche Varation der  (sofort catchy sitzenden, aber auch ähnlich unmittelbar wieder vergessenen) immer ähnlichen Komposition an – irgendwann kann das gleichförmige Songwriting von der schwungvollen Performance eben nicht mehr gestemmt werden.
Dazu kommen explizit schlechte Ideen wie die aufgefahrenen Gäste – allen voran eine grausam glattgebügelte Halsey im bluleeren Forget Me Too – und auch Füller wie Jawbreaker, der seine Leere mit uninspirierten Dosen-Streichern zu kaschieren versucht, oder die bügelnden Vocoder wie beispielsweise in Play This When I’m Gone, die jede Intimität in einer distanzlos gemeinten Nummer töten.

Diese herausstechenden Mankos sind aber nur konzentrierte Ausdrücke der eigentlichen Probleme der Platte. Die Sing-Stimme von Baker lässt jedwede packende Emotionalität vermissen, und Songs wie Lonely wirken deswegen wie seelenlose Fassaden unverfänglicher Singalongs ohne Leidenschaft oder Intensität am Mikrofon. Dass die Texte weitestgehend unendlich cheesy und klischee-behaftet überhöht daherkommen, macht die Sache nicht besser – ebenso, dass die musikalische Seite der Platte zwar gelöst und motiviert klingt, dabei aber zu glatt und kantenlos Richtung perfektionistischen Plastik-Fließband ausgerichtet wurde.
All diese Punkte degradieren das keinen Hehl aus seiner Hochglanz-Oberflächlichkeit machende Tickets to My Downfall von einer soliden Basis ausgehend weder der Vollkatastrophe, zu der es mancherorts gemacht wird, verhindert aber pe se die kleine Absolutions-Sensation, die andere in diesen 36 Minuten hören (und dabei wohl auf Klassenbeste wie Jeff Rosenstock oder Spanish Love Songs vergessen). Tatsächlich kann die generische Simplizität dieses Paradigmenwechsels selektiv konsumiert einen austauschbaren Unterhaltungswert beweisen, dessen niemals wehtuende Harmlosigkeit jedoch selbst in den frühen 00er-Jahren kaum für (polarisierende) Reibung gesorgt hätte, sondern höchstens für wohlwollendes Schulterzucken: Dieses Album ist (quasi als musikalisches Äquivalent zu Punk-Shirts von H&M) keineswegs gut, aber auch nicht unbedingt schlecht – nur durch und durch egal.

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