M83 – DSVII
Nach zwölf Jahren bekommt der Diskografie-Nebenschauplatz Digital Shades Vol. I mit DSVII einen weiterblickenden Nachfolger. Das wird aber wohl nur noch den harten Kern der M83– Fanschichten interessieren.
Immerhin bleibt Anthony Gonzalez nach dem polarisierenden Junk sowie demdurchwachsenen Soundtrack Knife + Heart einer unberechenbaren Veröffentlichungspolitik treu und lässt dem Meisterstück Saturdays = Youth sowie der endgültigen Durchbruchsplatte Hurry Up, We’re Dreaming vorerst weiterhin keinen stilistisch adäquaten Nachfolger zukommen. Auf DSVII, dem offiziellen achten Studioalbum des Franzosen, folgen M83 stattdessen den wahrnehmungstechnisch ohnedies latent vom regulären Kanon ausgegliederten Pfaden von Digital Shades Vol. I aus dem Jahr 2007 und verlagern ihre Elektronik in den zwanglos über Keyboardflächen fließenden New Age und Ambient, zu Tangerine Dream, Mike Oldfield, Jean Michel Jare und Vangelis.
Das ist über keineswegs kurzweilige 57 Minuten an sich keine schlechte Idee, zumal Gonzalez DSVII abseits einer bisweilen kitschigen Softporno-Ausstrahlung zu einer weitestgehend angenehm nebenbei zu konsumierendem Angelegenheit macht, die als ätherisch-instrumentaler Hintergrundsoundtrack nicht so weh tut, wie Junk es in den schlimmsten Fällen konnte – sich eigentlich sogar ohne tatsächlich schwerwiegenden Ausfall durch sein ästhetisch kohärentes Ganzes hangelt.
Wirklich hängen bleibt abseits des wunderbaren Frank Quitely-Artworks und einer durchaus einnehmenden Atmosphäre aus 80er- Vintage-Synthies und sakralen Chorälen allerdings in Summe wenig konkretes, zumal sich das Songwriting oft eher auf vage Gimmicks verlässt und harmlos mäandert. Die munter gezupften Gitarren und sphärischen Backgroundstimmen in Hell Riders gipfeln statt einer Jessica Curry-Anmut beispielsweise in einem cheesy Moroder-Moment; A Bit of Sweetness wabbert symptomatisch als betörend-harmlose Moon Safari ziellos plätschernd dahin. Das am Klavier die melancholische Sehnsucht lüftende Meet the Friends hofiert eine bezaubernde Melodie und endet wie die meisten Nummern viel zu unbefriedigend abrupt. A Word of Wisdom skizziert optimistischen Pop und Jeux d’enfants gedankenschwer sinnierend die Piano-Lounge, wo Lunar Son wie die inkonsequente Untermalung einer Space-Sitcom a la Mein Vater ist ein Außerirdischer funktioniert und Mirage sich dafür in Blade Runner 2049 verirrt. Weniger plakativ veranlagte Szenen wie Colonies wirken dagegen subversiver, entwickeln jedoch genau genommen keinen originären Erkenntniswert, sind nett, aber egal.
Dass Gonzalez neben der Musik von Suzanne Ciani, Mort Garson, Brian Eno oder John Carpenter explizit Videospiele aus den 80ern als Inspiration nennt, deren Verortung er als „naive and touching“ sowie auch“simple and imperfect“ beschreibt, trifft dann auch auf DSVII zu. Im Positiven wie Negativen.
Gerade wenn ein leise pulsierendes Stück epischen Ausmaßes wie der Closer Temple of Sorrow am Ende zeigt, welch erhebende Momente anstelle zu vieler Fahrstuhlszenen möglich gewesen wären (obwohl Gonzalez die letzten Meter zur Überwältigung hier gar nicht gelingen), gleicht dann zu guter Letzt doch auch einem frustrierenden, unfokussierten Vorschlaghammer.
Weswegen man zwar auch nicht ungerne in die Welten dieser Klanglandschaft (als mit dezentem Abstand doch bestes Album der Ein-Mann-Band seit knapp 8 Jahren) eintaucht, aber aus der zu ausführlichen Spielzeit (deren Kürzung dann zu einer Aufwertung zwischen den Punkten führen hätte können) eben nur wenig Nachhaltiges mitnehmen kann, gerade auf emotionaler Ebene – und M83 die Verweigerungshaltung im Muzak-Taumel deswegen auch übler nimmt als bisher.
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