Lychgate – Also Sprach Futura

von am 23. März 2020 in EP

Lychgate – Also Sprach Futura

Nach drei vielversprechenden, aber die spürbar vorhandenen PS auch frustrierend nicht restlos auf den bekommenden Studioalben (rund um das starke An Antidote for the Glass Pill) rufen Lychgate ihr Potential auf der EP Also Sprach Futura im Gesamten am bisher befriedigendsten ab.

Greg Chandler hat also gewissermaßen einen Lauf: Nach dem Esoteric-Meisterwerk A Pyrrhic Existence im vergangenen Jahr bestätigen dies zumindest die zwanzig neuen Minuten seiner gefühltermaßen seit 2013 zur Hauptanstellung mutierten Plattform Lychgate. Dabei bleibt das Kollektiv weitestgehend die alleinige Projektionsplattform von Mastermind Vortigern, der von den Kompositionen bis zu den Texten weiterhin im Alleingang für das Songwriting verantwortlich zeichnet.
Vier Stücke lang optimiert und verdichtet er auf dem ersten Lychgate-Kurformat jedenfalls philosophisch aufgeladenen, konzeptuell von Nitzsche bis Metropolis transhumanistisch in die Zukunft blickend seinen unberechenbar mit dem Chaos flirtenden Extrem-Metal, vermengt Ansätze von avantgardistischen Doom oder Tech-Thrash mit unorthodox herausfordernden Prog-Black Metal. Der Sound der Band bleibt dabei so originell wie polarisierend, artikuliert sein Wesen aber schlauer als bisher.

Eine bisher ungekannte, nun ja, leichtere Verdaulichkeit befreit das Songwriting nämlich von zu theatralisch ausgelegten Gimmicks der Vergangenheit, schärft über einen chaotischen Pragmatismus die Zugänglichkeit zu Lychgate im Allgemeinen, wie zum finsteren Kern von Vortigerns Visionen im Speziellen.
Also Sprach Futura ist gleichzeitig kompakter, dynamischer, fokussierter und doch auch variabler als es die drei Studioalben es vornewegweisend waren, bringt die instrumentalen Elemente idealer zusammen (alleine der Einsatz der prägenden Orgel funktioniert hier soviel songdienlicher und instinktiver) und destilliert damit so in Nuancen das bisher wohl stärkste Material der Band.

Incarnate platzt als wildes Chaos mit psychotisch wuselnder Orgel los, die ihre schizoide Präsenz jedoch bald in die hintersten Texturen des Mixes verschiebt, allgegenwärtig bleibt, aber das Rampenlicht nunmehr ohne Penetranz teilt. Auch die technisch präzisen Drums und die schwindelfreie Gitarre drängen sich trotz ihrer Virtuosität nicht in den Vordergrund, geben aber wie die Riffs mehr Auftrittsfläche und Reibungspunkte. Chandler agiert dabei geradezu stoisch verankert im Sturm, ein Element im Gefüge.
Progeny of the Singularity übernimmt hier direkt, schiebt in das galoppierende Drama und produziert einen Geschwindigkeitsrausch im nebulösen Delirium: Ahnungen von Klargesang, elegisch ausgebreiteten Melodien, knackigen Riffs und atmosphärischen Ruhephasen samt rezitierender Melancholie rasen vorbei. Auch wenn nicht jede Passage der Nummer restlos rund miteinander verbunden ist, funktionieren die Segmente zumindest für sich fesselnd und mit Sogwirkung. Der sich selbst Kerosin verabreichende Mahlstrom am Ende ist zudem besonders stark.

Simulacrum nimmt das Tempo und den Irrsinn deswegen auch erst einmal heraus, beginnt sinister als perlendes Horror-Szenario, walzt mit gothischem Harmoniebedürftnis und sonorem Gesang, kippt seine relative Versöhnlichkeit jedoch immer wieder in pechschwarze Knüppele, badet garstig und stellt die Weichen für das große Finale. Vanity Ablaze dehnt die Bandbreite als Highlight epischer aus und zieht den Metal dann stringent nach vorne an. Da kann man von zackigen Hooks sprechen, vom Kontrast aus predigendem Stoizismus und Tempo in einer cinematographischen Weite, bevor die Band den Kreis nicht ohne Optimierungspotential, aber mit effektiv gesetztn Stellschrauben zu schließen beginnt.

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