London Grammar – The Greatest Love
Die Zeiten und Höhen von If You Wait sind wohl endgültig vorbei. Zumindest gelingt London Grammar mit The Greatest Love aber eine versöhnliche Abbitte für den schwachen Vorgänger Californian Soil.
Hannah Reid, Dan Rothman und Dominic „Dot“ Major behalten den zuletzt eingeschlagenen Weg zu einer banaler anbiedernd Harmlosigkeit treu, haben diesmal aber die besseren, hier und da sogar an alte Stärken anknüpfenden Songs geschrieben, leisten sich vor allem aber nur noch wenige Ausfälle.
Das textlich schwache, viel zu repetitive Santa Fe gehört allerdings noch dazu, das im Dembow-Beat einen unmotivierten Stadion-Touch bekommt (dabei aber dennoch halbwegs geschmackvoll die Balance halten kann). Auch das über weite Strecken tolle Kind of Man, das seine jazzig angehauchte Radiohead-meets-The Xx-Symbiose geradezu frustrierend an ein enervierendes „Nananana“-Finale verschenkt, was direkt dananananananach in der schlauchfömig trabenden Mitsing-Egalität Rescue sogar noch penetranter ausgereizt wird.
Dass der Rahmen mit dem selbstbewusst-deplatzierten Breakbeat-Weichspüler House (als überzeugende Single, jedoch nicht wirklich in den Albumkontext passen wollender Opener) und dem formelhaft dick auftragenden, opulent zu kitschigen Sinfonien, Chören und Gitarrensolo schielenden Titelsong-Finale zumindest ambivalent geraten ist, und das Dazwischen auf eine primär angenehm zu konsumierende Komfortzonen-Gefälligkeit setzt, dreht The Greatest Love ebenso keinen Strick – macht aus einem guten Album aber ohne das nötige Wohlwollen nur ein okayes.
London Grammar sind mit der nicht immer zurückhaltend intonierenden Stimme von Reid im Zentrum einfach Experten im Ausbreiten herzschmeichelnden Klangbalsams, holen verführerisch in ihre getragene Welt aus Trip Hop, Ambient, Dreampop und Indie. Die Grenzen des Schönklang zwischen einer Easy Listening-Eleganz und gepflegter Langeweile sind dort jedoch mittlerweile dünn. Und die Band, ganz ohne Ecken und Kanten, mit generischen Tendenzen selbstreferentiellen Risikofreiheit immer auf der sicheren Seite.
Fakest Bitch benötigt so nur wenig außer Klavier und Gitarre in seiner ruhigen, intimen Einkehr, die das Tempo gen Ionna Gika-Märchen unspektakulär herausnimmt, während das zurückgekelehnte You & I seinen Refrain sanft mit dezenten Streichern und Chören aufgehen lässt. LA behält sich den Amerika-Fokus der Vorgänger-Platte für seine emotional umarmende Streicheleinheit bei und Ordinary Life führt seine Elektronik dezent zur Opulenz.
Der sanft zum Stroboskop übergehende Synthwave des sedativen Club-Pumpen Into Gold wirkt dagegen wie eine inkonsequente Erinnerung an die zuletzt erfolgte Remix-Sidequest der Band. Dass The Greatest Love hier ausnahmsweise eine etwas interessantere, weil weniger vorhersehbar auf Nummer Sicher gehende Attitüde zeigt, spricht allerdings eine deutliche Sprache hinsichtlich des mutmaßlich überschaubaren Langzeitgedächtnis-Reizes einer Platte.
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