Loma Prieta – Last

von am 14. Juli 2023 in Album

Loma Prieta – Last

Loma Prieta haben nach Self Portrait satte acht Jahre gebraucht, um ihr sechstes Studio Album fertigzustellen – nicht nur, weil (alleine von Sean Leary) unzählige andere Spielwiesen von den Beteiligten bedient werden woll(t)en, sondern, weil Last nun eben auch weit über den handelsüblichen Screamo hinaus zieht.

Von ihrem alten Kumpel Jack Shirley ohne beschönigenden Aufputz in den Atomic Garden Studios eingefangen, ist Last vielmehr ein um das angestammte Genre der Kalifornier rotierendes Kaleidoskop geworden, das Loma Prieta einerseits so zugänglich wie nie zuvor zeigt – man betrachte nur etwa Dose, das praktisch eine optimistisch beschwingte Indie-Attitüde an den Tag legt, und durch die leichtgängig beschwingte Melodik der Post Hardcore-Schraffuren gut gelaunt-gelöst faucht; das rockig-eingängige Symbios, das proggig ambitioniert plötzlich den herrlich fniedlichen 90er-Singalong auspackt, der so eher von Built to Spill, The Dismemberment Plan o.ä. erwartbar sein könnte, um ihn beständiger zwingend zu umarmen; oder das so zielstrebige Dreamlessnessless in seiner hoffnungsvollen Offenheit, als würde eine Fang Island-Euphorie sich an pures Japandroids-Wohlgefallen in ballernder Geschwindigkeit schmiegen.

Als direkte Konsequenz daraus entwickelt Last aber andererseits auch eine variable Bandbreite, deren kurzweilige Vielseitigkeit nichts unentschlossenes transportiert, sondern seinem homogenen Charakter wie aus einem Guss im tollen Fluss mit dem angestammten Screamo als Rückgrat  – der so vielleicht am deutlichsten in der dringlich-verzweifelten, harschen Schönheit von Sunlight (angesichts der vergleichsweise konventionellen Orientierung nicht von ungefähr die erste Single – allerdings eben nur sehr bedingt representativ für das Gesamtwerk…wiewohl auch keine falsche Fährte – was so durchaus symptomatisch für das vielschichtige Wesen der Platte ist) an den Wurzeln destilliert wird – stets aufs Neue modifiziert.

Nachdem Sequitur seine kurzen atmosphärischen Loops rückwärts als Intro verschiebt, poltert NSAIDs kontemplativ sinnierend mit nostalgischem Klavier über die Melancholie, steigt nach knapp einer Minute aufs hymnische Gaspedal und scheucht einiges an subversivem Tumult im Hintergrund, ja, versöhnliche Harmonien und regelrecht avantgardistisch purzelnden Texturen. Fire in Black & White ballert übersteuert wie erhebender Noiserock, sich beruhigenden Oasen hingibt, um wie ausgelassen in brutzelnder Distortion zu schunkeln, derweil One-Off (Part 2) Essenzen aus dem Emo und Alternative Rock assimiliert. All das passiert so natürlich, ohne Verrenkung – und fordert deswegen gefühlt nicht einmal unbedingt besondere Aufgeschlossenheit des reaktionärsten Genre-Freundes.

Circular Saw lässt seine perlenden Gitarren friedlicher verträumt gen American Football rezitieren und explodiert auf den letzten Metern zum von der Tarantel gestochenen Stakkato-Twist, bevor sich Glare postrockiger sinnierend hingebungsvoll flehend aufbäumt, über einem glückseligen Panorama reibt, um And So I Watch you From Afar-Assoziationen hinten raus in einer Math-Repetition zu wirbeln, und der Closer LLC wieder Indie mit Kerosin in den Adern praktiziert, mit angespannten Muskeln brüllt, bis Loma Prieta sich im Ambient verabschieden und dabei so viele Trademarks im vertrauten Sound rund – um grandiose Drum-Energien, intensive Gitarren-Crescendos und leidenschaftlich brennende Stimmbänder – als logischen Evolutionsschritt der Band annehmen: Die Kontraste interagieren ohne scharfe Konturen, die Extreme sind (was man durchaus auch in gewisser Hinsicht schade finden kann) einer weich mutierenden Synergie gewichen, deren Aggression Endorphine erzeugt, und am Ende steht ein Grenzgang an neuen Horizonten, der keine Fronten provoziert, sondern die agressive Katharsis einfach verdammt viel Spaß machen lässt.

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