Listener – Time is a Machine
Dan Smith hat die Transformation seiner ehemaligen Hip-Hop-One-Man-Show längst zum beispiellosen Spoken Word-Indierock-Trio vollzogen. ‚Time is a Machine‚ ist dergestalt abermals ein formvollendetes Paradebeispiel für das, was Smith unter dem Banner Talk Music firmieren lässt.
Also der Vocalist im Mittelpunkt des Geschehens: ein Frontmann mit überwältigend eindringlicher Präsenz als schonungsloser, beinahe manischer Geschichtenerzähler, der seine poetischen Texte mit einer Inbrunst aus seiner Kehle presst und phrasiert, mit einer Dringlichkeit niemals gesungene Zeilen predigt, die an Detailreichtum und Intensität schlichtweg ihresgleichen suchen. Wie der Mann aus Arkansas da immer wieder ins hysterische kippt und doch gefasst bleibt, zwischen Heiserkeit und überfallsartigem Nachdruck seine Verse auskotzt, seine Seele ausbreitet – das ist am offenen Herzen operierendes Gefühlskino mit Gänsehautgarantie, dem aufwühlenden Storytelling von La Dispute nicht unähnlich.
Das explosive Schlagzeugspiel von (eigentlich-nicht-mehr-wirklich-) Bandneuling Kris Rochelle und die pendelnde Gitarre von Langzeitkumpel Christin Nelson sind dahinter mehr als nur schmückendes Beiwerk: Listener agieren mittlerweile mehr den je als sich nahtlos ergänzende Einheit, die sich im dynamischen Wechselbad der Intensitäten die Bälle zuspielt, musikalisch den spannungsgeladenen Nährboden für Smith ausbreitet.
‚Time is a Machine‚ ist dabei vielleicht nicht so abwechslungsreich, überraschend und verspielt geraten wie das bis hin zu Laptop-Experimente streunende ‚Wooden Heart‚ – es ist bei einer Länge von 31 Minuten und nur 8 Songs dafür aber deutlich kompakter ausgefallen als seine Vorgängeralbum – ja, auch irgendwie ein klein wenig zu kurz -, generell stringenter und in der Konsequenz seiner Inszenierung vielleicht sogar tatsächlich um das kleine Quäntchen stärker als das fulminante 2010er Werk.
Schon vom countryesk rumpelnden Opener ‚Eyes To The Ground For Change‚ macht sich die kraftstrotzende, polternde Präsenz des erst nach ‚Wooden Heart‚ eingestiegenen Rochelle bemerkbar, im treibenden Marsch von ‚Good News First‚ und sowieso im allgegenwärtigen Groove der wunderbar erdigen Produktion, die ‚Time is a Machine‚ selbst dann zeitlos bodenständig seine Wurzeln schlagen lässt, wenn sich Smith und Nelson an ihren Saiteninstrumenten ohne bindende Grenzen bewegen, sich in den weitläufigen Spannungsbögen diesmal bis hin zum kompakt agierenden Postrock driften lassen.
Wie der Frontmann dem lange Zeit in Lauerstellung aufbrausenden ‚Tornadoes‚ dabei plötzlich eine immense Portion an kehliger Hastigkeit einimpft zeigt dabei die vielseitige Herangehensweise des patentierten Nicht-Sängers, bevor sich Listener die Handbremse lösen und letztendlich gar am Strand entlang stampfen. Überhaupt: wie gut der Band inzwischen ihre rein instrumentalen Passagen stehen! Da wünscht man sich an diesem Punkt des Songwritings schon exzessive, die 10 Minuten Marke überschreitende instrumentale Postrock-Exkursionen herbei.
Das folgende ‚I Think It’s Called Survival‚ setzt mit punkiger Ungestümheit und bedrohlich dröhnenden Gitarren als bandinternes Highlight im Metal-Zwielicht aber stattdessen in anderer Richtung noch eines drauf: „Our hands filled with each others hands filled with purpose, and I think it’s called survival„.
Am großartigsten ist das dennoch wieder, wenn Listener einen Gang zurückschalten: etwa das wandelbare ‚Everything Sleeps‚, das immer wieder aufs neue Anlauf nehmen muss um letztendlich in die Weite geschickt zu werden. Oder der potentielle Two Gallants-Galgen ‚There Are Wrecking Balls Inside Us‚, der die altbekannte, wehmütige Trompete voranschickt. Dass ‚It Will All Happen The Way It Should‚ in dieser Gangart vielleicht nicht die ultimative Erlösung ist, die sich ‚Time is a Machine‚ am Ende verdient hätte fällt kaum ins Gewicht – weil Listener bereits im grandiosen ‚Not Today‚ so majestätisch ins Melancholische fallen und vor intimer, leiser Schönheit schier zu bersten drohen. „If the sun turns to a shooting star/ and leaves us with nothing much to say/ This is not a fear trap/ You can’t pass a test you don’t take/ If you go looking you’ll find it when it goes quiet behind your eyes“ fleht Smith mit aller Anmut, hat aufgestellte Nackenhaare und alle Herzen auf seiner Seite.
Spätestens wenn der Song letztendlich doch noch in aller Würde explodiert, ist das nicht nur kontrolliert nahe an den Noiserock-Eruptionen von Slint, sondern ein Bruchstück dessen, was ‚Time is a Machine‘ zu einem der ziemlich sicher besten Album in der Sparte „Talk Music“ seit ‚Catch for us the Foxes‘ der längst weitergezogenen mewithoutYou werden lässt.
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