Linda Smith – Till Another Time: 1988​-​1996

by on 11. April 2021 in Compilation

Linda Smith – Till Another Time: 1988​-​1996

2021 hat Linda Smith seit langer Zeit mit Untitled 1-10 Plus 1 ein neues Studioalbum vorgelegt. Ihr aktuelles Label Captured Tracks erleichtert den Zugang zu diesem auch mit der gelungenen Retrospektive Till Another Time: 1988-1996.

Rein inhaltlich gibt es Überschneidungen mit den beiden vorangegangenen, ausführlicheren Compilations Preference: Selected Songs 1987-1991 von 1997 sowie All the Stars That Never Were von 2014, wobei der kompaktere Ansatz von Till Another Time einerseits ein unterhaltsam unfokussierter und ausschnitthafter ist, andererseits durch den Zusatz 1988-1996 auch kein Hehl daraus macht, dass neben einigen Schmankerln von vornherein auch Material von Emily’s House (2002) und Something New! (2005) schlichtweg keine Beachtung findet. Kein Beinbruch für eine mosaikartige Songsammlung, die kein essentielles Destillat sein will, sondern rudimentärer Überblick, und die sich sich auch ästhetisch alle Mühe gibt, wie ein in Vergessenheit geratenes, aus der Zeitkapsel gefallenes Kleinod der Marke Colour Green oder L’Amour zu erscheinen.

Durchaus verständlich, immerhin stehen die Chancen gut, dass man noch nie etwas von Smith gehört –  einer heute als Geheimtipp gehandelten Home Recording-Singer-Songwriterin und Multiinstrumentalistin, die von den späten 1980ern weg auf eigene Faust Kassetten aufnahm und veröffentlichte. Zwischen 1987 und 2005 entstanden so ungefähr sechs Alben, erst auf 4-Spur-Gerät, später mit 8-Track-Recorder eingespielt – Gitarre, Bass und eine stets leicht entrückte Stimme genügten neben einer spartanischen, auch bewusst dilletantischen  Rhythmusbeschaffenheit in den simpel gehaltenen Kompositionen zumeist.

Die Songs der DIY- und Lo-Fi-Pionierin haben dabei seit ihrer Entstehung gefühlt einen undatierbaren Charme behalten, zeigen eine variable Bandbreite und nehmen in ihrem anachronistischen Wesen nicht nur den heutigen Bedroom Pop vorweg: I See Your Face linst zum 60s-Surf, das mäandernde A Crumb Of Your Affection wirkt wie ein Outtake von Nico und The Velvet Underground, All I Did schlackert in psychedelischer Schieflage. Das titelstiftende Stück taucht in einer vom orgelnden Delirium beinahe vollends nebulös verwischten Version auf (Alternate Lo-Fi Mix meint hier wirklich: Lo!), die diffuse Single Gorgeous Weather lebt von ihrem hibbeligen Bass und den irgendwo ganz hinten Radau machenden Indie-Gitarren. Das nostalgische I Just Had To experimentiert a Casiotone-Sound Richtung Minimal-Indietronic, während besonders ein Imaginary Conversation zeigt, dass hier schon auch leere Meter zusammengetragen wurden.
I’ll Never See You Again zeigt eine bittersüße Melancholie und hätte wie das von märchehaftem Folk-Ambient begleitete There’s A…, ein wunderbar entschleunigt-schunkelnd auftauendes I So Liked Spring oder das Violent Femmes‚eske Wandering You Know in anderen Händen vielleicht mit viel Zweckoptimismus ein kleiner Semi-Hit werden können. Till Another Time: 1988​-​1996 ist jedenfalls nicht nur aufgrund seiner Ästhetik und chronistischen Funktion eine Entdeckung wert.

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