Lime Garden – One More Thing
Seit 2020 hat das Quartett Lime Garden aus Brighton rund zwei Handvoll an Singles veröffentlicht. Auf seinem Debütalbum One More Thing hat sich die Band gefühlt trotzdem noch immer nicht gefunden.
In der ersten Hälfte der Platte sind Chloe Howard (lead vocals, synthesizer, guitar), Leila Deeley (lead guitar), Tippi Morgan (bass) und Annabel Whittle (drums) im unkritisch anvisierten Windschatten von Wet Leg schließlich noch ausnahmslos an einer relativ generischen Achse aus Indie Rock und Post Punk interessiert. Meistens tanzbar joggend (Love Song), mal zu Courtney Barnett und dem 90er-Alternative schielend wie in Nepotism (Baby) und dann so sehr die 00er zitierend, dass Maximo Park feuchte Augen bekommen werden (Pop Star).
Freilich: im besten Fall (also: I Want to be You) führt das zu einem veritablen Semi-Hit, der vor zweieinhalb Jahrzehnten die zweite Reihe der Szene erfrischend aufgemischt hätte und ein Ohrwurm könnte beinahe jeder der erwähnten Stücke sein.
Meistens sind sie dann aber eben doch nicht mehr als eingängige, sympathische Songs, denen neben einer Individualität im Eklektizismus auch der Killer-Instinkt fehlt, um die vorhandenen Rohdiamanten adäquat zu pressen. Vor allem das unverbindliche, niemals zwingende Mother muss diesbezüglich als Mahnmal herhalten.
Sobald Pine als Herzstück das Tempo ambientartig durchatmend aus dem zackigen Fluss von One More Thing genommen hat und in der Ruhe einer zappelnden Melancholie das Gespür für Dynamik umschichtet, zeigen Lime Garden in der zweiten Hälfte dieses Debüts allerdings, was tatsächlich alles in ihnen stecken könnte – auch wenn sie selbst noch nicht wissen wo es stilistisch letztendlich hingehen soll.
Floor eröffnet das Potpourri zum trendbewusste Synthpop mit unnötigen Vocoder-Effekten – diese aber stimmig zu integrieren und nicht komplett unnötig damit zu nerven, ist ja auch schon was. In Fears variieren elektronisch angehauchte Drums die Ästhetik und geben dem Songwriting mehr Raum, während It ein nachdenkliches Schwelgen in minimalistischer Trance wird und das Gitarre-Kleinod Looking traurig ein Piano klimpern lässt.
In Summe ergibt das also ein unrundes Ganzes, weil One More Thing in diesen suchenden Momenten die Effektivität der formelhaften ersten Hälfte fehlt, dafür aber viel mehr grundlegendes Potential freigelegt wird – und eine Zukunft für die Band aufzeigt, für die man durchaus Interesse entwickeln könnte, wo die Front dieser Sammelsurium-Platte zu austauschbares in Aussicht stellt. Ob Lime Garden damit jedoch die nötige Geduld verdient haben, um sich über eventuell weitere vier Jahre und dreimal so viele Singles auf eine Linie zu einigen, sei dahingestellt.
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