Lightning Bolt – Fantasy Empire
Eine ungewohnt fett knallende, Hi-Fi-Studioproduktion und ein daraus resultierendes, an zugänglicheren Strukturen interessiertes Songwriting. Diese zwei Zutaten, die man an keiner vorangegangenen Lightning Bolt Platte zwangsläufig vermisst haben musste sind es nun, die das erste (richtige) Album des Duos seit knapp 5 Jahren aus neuen Perspektiven ausleuchtet.
Es war also durchaus die richtige Entscheidung, sich in die Räumlichkeiten der Machines With Magnets-Studios zu begeben, wahrscheinlich sogar eine notwendige. „It was a desperate act“ gesteht Chippendale – zu groß war die Befürchtung wie immer zu klingen, sich zu wiederholen. Das zeugt durchaus von einem gesunden Maß an Selbstreflexion, denn bei allem impulsiven Unterhaltunswert, den die unter Lo-Fi-Mindeststandards aufgenommenen Platten des Duos seit jeher entfachen konnten, blieb da zuletzt doch auch ein bisschen das Gefühl, dass sich Brian Chippendale und Brian Gibson mit ihrem hyperventilierenden Noiserock ein wenig in eine kreative Sackgasse manövriert hatten, sich die eklatanten Soundlimitierungen aus der Kombination Bass/Schlagzeug langsam aber sicher als leicht auszurechnende Falle entpuppen würden.
An diesen Grundzutaten ändert sich dabei auf dem sechsten Studioalbum der Band nun grundsätzlich auch weiterhin nichts – ‚Fantasy Empire‚ ist durch und durch eine lupenreine Lightning Bolt-Platte, die sich nahtlos in die bisherige Discografie einfügt. Dennoch funktioniert der Thrill Jockey-Einstand des Duos mit seinen reduzierten Zutaten in gewisser Weise als potentes Reboot, weil Lightning Bolt ihren Sound auf eine deutlich breitere Basis bauen und mit den nun vorhandenen produktionstechnischen Finessen plötzlich mehr Spielraum finden um vor allem all die Experimente von Gibsons‘ Bass stärker in Szene zu setzen.
Überall tummeln sich nun also Loops und Effekte, noisige Melodiefetzen grätschen permanent in die zahlreichen Klangschichten. Detailierter wirkt das nun, aber keineswegs überladen, die Kombination knallt weiterhin ohne Fett mit berserkernder Energie. Sauberer ausgeleuchtet klingen Lightning Bolt nun dennoch nach grindigen Schweißbächen, die knackiger pointierten Akzente haben sich ihren räudigen Punch behalten. Paradoxerweise kommt das Duo auf ‚Fantasy Empire‚ damit aus Tonträgersicht vielleicht sogar näher ran an die unbändige Livewucht ihrer explosiven Auftritte, der vielzitierte Vergleich hat also durchaus was: hiermit heben Lightning Bolt ihren Radau vom 2D ins 3D-Business.
Damit einhergehend wirkt auch das Songwriting an sich strukturierter als zuletzt, wenn eben auch gar nicht unbedingt weit weg von den bisherigen Platten. ‚The Metal East‚ eröffnet dennoch mit ziemlicher (Nomen est Omen) Metalschlagseite als straight ballernde, geradezu stoisch nach vorne treibende Version von Hella. Das gallopierende ‚Horsepower‚ wirkt dagegen ohne tatsächliche Geistesblitze gar ein wenig generisch, motiviert aber nichtsdestoweniger enorm zwingend zu aggressiven Ausdruckstänzen auf der Tanzfläche: ein Rhythmusbiest sondergleichen. Auch ‚King of My World‚ taumelt erst unentschlossen zwischen den Seilen und spielt mit transzendierenden Klangschichten, bevor da plötzlich die Bassaiten mit schillerd-trillierenden Hochtönen fiepen: sich in eine Idee auch ohne konkretes Ziel zu versteifen, das haben sich Lightning Bolt also beibehalten. In den weniger direkten Momenten wachsen das Songs deswegen also auch nicht unbedingt entlang des neuen Soundgewands indem sie die neuen Möglichkeiten ausloten, sondern zelebriert Altbewährtes in neuer Umgebung. Auch kein Fehler, weil die Intensität eine andere ist als bisher.
Und dann gibt es da Nummern wie ‚Over the River and Through the Woods‚, das sich zu einem flapsig bohrenden Riff verausgabt, sich immer mehr zu einem Killertrack auf der Überholspur verdichtet, der kurz vorm Übergang ins Psychedelische plötzlich seinen Groove sensationell auf schwerfälligen Geländegang umstellt und hinten raus vor seinem furiosen Nitro-Finale geradezu verletzlich flehend aufmacht: die Melodien kommen in diesem Umfeld einfach eindringlicher zum Tragen.
Das martialisch polternde ‚Mythmaster‚ tickt dagegen immer wieder zu kompakten Grindausbrüchen aus, bevor Gibson seinen Bass wie ein manischer Elektroniker röhren lässt, das Szenario in bunte Science Fiction-Welten hochschraubt und Chippendale den Song staubtrocken nach Hause holt. ‚Runaway Train‚ wird an einem Meer aus Distortion und irren Effektsolos entlanggetrieben, ‚Dream Genie‚ ist ein einziger hastender Rausch aus Nonstop-Drumming und gniedelnden Basssaiten und das überragende ‚Snow White (& the 7 Dwarves Fans)‚ steigert sich über knapp 12 Minuten in einen wahren Fiebertraum aus Free-Drumming, atemlosen Riffing und eben jenem verfremdeten Trademark-Noise, den so nur Lightning Bolt praktizieren.
Aber eben revitalisiert und aus anderer Perspektive betrachtet, mit deutlich mehr Elan, Dynamik, Frische und Spielwitz als auf dem schwachen ‚Oblivion Hunter‚-Intermezzo. Womit ‚Fantasy Empire‚ auch sein Ziel erreicht: Chippendale und Gibson haben ein klassisches Lightning Bolt-Album aufgenommen, das nicht klingt „wie jenes davor„. Womit die Sache auch nach annähernd zwei Jahrzehnten Krawall spannend bleibt.
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