Liam Gallagher – MTV Unplugged

by on 13. Juni 2020 in Livealbum

Liam Gallagher – MTV Unplugged

Im August 2019 übernahm Liam  nicht mehr nur die pöbelnde Zuseherrolle, sondern dirigierte in der Hull City Hall ein phasenweise überkandideltes, in Summe aber überdurchschnittlich solides MTV Unplugged Album.

Der jüngere der beiden prominenten Gallagher-Brüder hatte zuletzt ja mit Why Me? Why Not. eine (mitunter sehr) gute zweite Soloplatte vorgelegt, während Noel sich in unausgegorenen EP-Formaten verzettelt hat.
Dass er bis auf Wall of Glass, den Opener des Abends, alle an sich gespielten Songs des schwächeren, aber nichtsdestotrotz absolut gelungenen Debüts As You Where aus der Trackliste der Platte gestrichen hat, hätte deswegen jedoch nicht sein müssen, zeigt aber eventuell, dass Liam wohl noch kein restloses Vertrauen in seine eigene Handarbeit hat. Nur zehn von eigentlich fünfzehn gespielten Songs landeten nun jedenfalls auf der finalen Trackliste von MTV Unplugged det jeweiligen Tonträgerformaten – gerade die Eingangsphase der Show wurde stark gekürzt, dazu in eine andere Reihenfolge gebracht, um mit ein paar nach vorne gezogenen Oasis-Klassikern auf Nummer Sicher zu gehen und wohl den Gelegenheitshörer bei der Stange zu halten.
Wie dem auch sei: MTV Unplugged fehlen als Mitschnitt nun jedenfalls Greedy Soul, Bold, For What It’s Worth, dazu auch der Titelsong von Why Me? Why Not. sowie eine Interpretation des Bob Marley-Songs Natural Mystic.

Was übrig bleibt, macht dann aber an sich wenig falsch, obwohl Liam die halbe Spielzeit der aufgefahrenen 44 Minuten damit verbringt in uneinholbaren Oasis-Erinnerungen zu schwelgen. Gefällige Aufarbeitungen des leger klimpernden Some Might Say, Stand By Me (eine tatsächlich seit 2011 von keinem Gallagher mehr gespielte Nummer), dem Richard Ashcroft-Tribut Cast No Shadow und ein wenig epischer Schlußpunkt in Form des vorhersehbaren Champagne Supernova sind eben versierte Rezitation der Musikgeschichte, aber ohne Magie oder Reibungspunkte nicht in jenen Sphären unterwegs, die für einen wirklich legendären oder gar ikonischen Abend sorgen würden – auch wenn phasenweise gar Paul Arthurs aka Bonehead bei seinem zweiten MTV-Auftritt der zurückgenommenen Reihe aushilft, Liam sich exklusiv für Sad Song als Sänger erprobt, oder einige ansonsten nie live gespielte Nummern ins Programm zieht.
Dafür ist das konservativ um klassische Unplugged-Tropen konzipierte Instrumentarium auch zu risikoscheu ausgelegt, wenn ein Großteil der gespielten Songs sich artig von anmutigen Streicherarrangements und weiblichen Soul-Backgroundsängerinnen begleiten lässt, Grandezza will aber teilweise dann eben doch zu schmalzig und tranig auftragend suhlt. Nicht so schlimm wie bei Biffy Clyro zuletzt, aber ein Paul Weller kann das dann eben doch geschmackvoller ausbalanciert.

Es fehlt Songs wie dem braven, mit bluesiger Orgel unterfütterten Wall of Glass oder Once, das ausgerechnet in der beschwörenden Bridge keine Spannungen aufbauen kann, im Unplugged-Umfeld zudem auch merklich an der Kraft des elektrischen Stroms, was ein stimmlich wankelmütiger (schon einmal deutlich schwächer auftretender, aber eben in seinen Heydays auch weitaus überragender geklungen habender, hier phasenweise energisch an den Tönen vorbeikrähender) Liam Gallagher mit Charme und Verve abzufangen versteht, selbst wenn beispielsweise ein Gone wenig nachhaltigen Eindruck hinterlassen kann: Ein bisschen Wucht ist schließlich schon auch essentiell für den Charakter seiner Präsenz.
Für gehobene Britpop-Kunst reicht das in seiner abgehoben-sympathischen, nichtsdestotrotz erdigen, weil niemals übersättigend-gallig inszenierten Klasse, sowie der immer wieder aufblitzenden guten Stimmung (inklusive Sprechchören) freilich dennoch locker. Ein Live-Album also, das man sich auch abseits eines gewissen Pflichtgefühls gerne ins Regal stellt – im MTV Unplugged-Kontext wird Liam allerdings dennoch als Balkongast in kollektiver Erinnerung bleiben.

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