Les Discrets – Ariettes Oubliées
von Oliver am 28. Februar 2012 in Album
Im Pass haben diese drei Weggefährten von Alcest ebenso Frankreich als Nationalität eingetragen – kommen aber in Wirklichkeit aus demselben Metal-Märchenland wie die „großen Vorbilder“.
Les Discrets zeichnen dieses Bild: Metal als ungebändigtes Land, in dem Grenzen nicht vorhanden sind und die Konturen verschwimmen. ‚Ariettes Oubliées‚ ist Musik, die nicht millimetergenau am Reißbrett entworfen, sondern mit dicken Pinselstrichen nach Schaltplänen in tagträumenden Köpfen ersponnen wurde. Jede Sekunde klingt wild wuchernd, phrasiert halluzinierende Gitarrenfiguren mit kantigen Rhythmen und dennoch sitzt alles streng an seinem Platz: das organische Wachsende und das durchdacht Aufgebaute in Symbiose. Die Farben erstrahlen in allen Farben des Regenbogens, obwohl eigentlich wie schon auf dem erst jungen Vorgänger ‚Septembre et Ses Dernières Pensées‚ am liebsten die dunkle Seite der Palette Verwendung fand – ein assoziatives Feuerwerk.
Musikalisch, weil hier wieder Welten aufeinanderprallen und miteinander verweben. Weniger Folkelemente als bisher schmiegen sich an postrockig ausufernde Arrangements, da schweben die Gitarren auf Füße starrend erhaben über anmutige Melodielinien, Black Metal ist hier nur der Ausgangspunkt der schon lange nicht mehr in Sicht ist, nur noch vereinzelte Blastbeat-Gewitter künden davon und verlangen vor jede Genrebezeichnung gefälligst ein „Post“ zu stellen. Und doch ist vieles stringenter geworden, unmittelbarer als noch am Debüt. In den ruhigeren Momenten erinnert das an alte Opeth Taten, die Saiteninstrumente hätten auch dem nächsten Katatonia Album Verwendung finden können. Der musikalisch nächste Verwandte ist und bleibt jedoch nicht von ungefähr Alcest: Les Discrets Vorstand Fursy Teyssier hat nicht nur deren aktuelles Album ‘Les voyage de l’âme‘ visuell gestaltet, sondern war mit Neige unter anderem bei Amesoeurs aktiv; den Schalgzeuger Winterhalter teilen sich Alcest und Les Discrets dann sogar. Dazu schmieden sie ihren unwirklichen Sound aus demselben Feenstaub, transzendieren die Essenz intensiver Sogwirkung mit der meditativen Wirkung von Ambientmusik. Eine eigenwillig, unwirkliche Melange.
Dabei bleiben Les Discrets trotz zahlreicher Parallelen greifbarer, geben sich stärker an klassisch orientierter Rockmusik interessiert als Alcest und verfeinern damit den bereits auf dem Debütalbum eingeschlagenen Weg noch einmal. Dass die Songs nicht immer das Versprechen einlösen können, dass sie atmosphärisch abgeben, fällt vor allem auf der ersten Hälfte der Platte nicht auf, denn da tummeln sich die wahren Hochkaräter: Gleich der auf das bessere Intro ‚Linceul d’Hiver‚ folgende Mammutsong ‚La Traversee‚ wird zum Mantra der Platte, eine mit Rasseln getriebene Perle, die in tiefster Nacht den Morgen sucht. ‚Le Mouvement Perpetuel‚ imitiert mit glockenklaren Gitarren aus winterlichen Gefilden den Hoffnungsschimmer am Horizont. Dass im zweiteiligen Song Ariettes Oubliées gar der Vorhang zum romantischen Croonen gelüftet wird fällt nicht aus dem Rahmen, Les Discrets beweisen sich abermals als Meister der atmosphärisch dichten Varianz im Songwriting. Dass sie auch als brave Steigbügelhalter im Vorprogramm von Alcest touren und sich selbst als „kleine Geschwister“ des großen Neige brandmarken, ist freilich weniger schmeichelhaft, als es sein sollte, leisten Les Discrets mit ‚‚Ariettes Oubliées‚ doch nicht nur ihren Beitrag, dass die französische Metalszene abseits ausgetretener Pfade immer noch und immer wieder zu den interessantesten und besten der Welt gehört, sondern mischen längst selbst in der Speerspitze der Szene mit.
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