Leonard Cohen – Thanks for the Dance
Drei Jahre nach dem Tod Leonard Cohens überrascht es durchaus, eine illustre Gästeliste um Daniel Lanois, Matt Chamberlain, Beck, Jennifer Warnes, Damien Rice, David Campbell oder Leslie Feist für die posthume Ehrenrunde Thanks For the Dance versammelt zu wissen.
Immerhin hört man auf dem fünfzehnten und finalen Album Cohens gefühlt selten mehr das Bariton des im Alter von 82 Jahren verstorbenen Kanadiers – schon abgekämpft und wohl im Bewusstsein des eigenen Todes müde und behutsam verführend rezitierend – sowie ein spartanisches Instrumentarium, das nur in Ausnamhefällen mehr als ein Instrument gleichzeitig zur Begleitung schickt, damit der Meister (teilweise mit Texten, die man zumindest aus The Flame und Book of Longing kennen kann) seine Rollen als Schwerenöter, Denker, Liebhaber, Lebemann, Spitzbube, Charmeur, Romantiker oder Poet ein letztens Mal ausleben kann.
Cohens Sohn und Produzent Adam hat bei der Vollendung des noch noch von den Sessions zu Adam übriggebliebenen Materials („not discarded songs or B sides“) insofern den vielleicht pietätvollsten Zugang gewählt, indem er der eindringlich brummenden Stimme seines Vaters im Grunde die zurückgebliebene Leere als wichtigsten Resonanzraum bietet, eine kontemplative Ruhe als zusätzliches Element wählt, um den organischeren Weg des Vorgängeralbums You Want it Darker (2016) mit noch entschlackterer Inszenierung fortzuführen und auch abzuschließen. Cohens Organ und Präsenz wird damit ein letztes Mal auf ein unscheinbares Podest gehievt.
Abgesehen davon, dass es unfassbar angenehm ist, endlich wieder und noch einmal ein vollständiges Cohen-Album ohne billige Synthies hören zu können, fällt auch auf, dass es Thanks for the Dance dabei trotz einer zutiefst homogenen Atmosphäre und der minimalistischen Klangsubstanz durchaus schafft, über kleine Nuancen und Facetten (wie den Einsatz von Laute, Maultrommel oder Ukulele) variabel zu bleiben, auch aufgrund der enorm kompakten Spielzeit von gerade einmal 29 Minuten kurzweilig nachzuwirken.
Dass sich die Platte dabei fast zu problemlos erschließt, lässt Thanks For the Dance als zugänglichste Platte seines Spätwerkes (und zudem zweitbesten dieses Jahrzehnts) vielleicht nicht vollends die unergründliche Tiefe der besten Cohen-Werke erreichen. Ohne restlos unsterbliche Melodien klingt hier aber alles dennoch anachronistisch und zeitlos, gerade im Kontext des Ablebens auch ein bisschen magisch. Thanks for the Dance ist eher ein überraschend eingängiges Schaulaufen unersetzlicher Tugenden geworden, das spätestens dann Gänsehaut erzeugt, wenn Cohen Zeilen wie „I’m almost at home/ No one to follow and nothing to teach“ murmelt.
In Happens to the Heart wirkt es, als würde Cohen aus dem Jenseits über einen tief melancholischen Minimalismus kommunizieren. Erst begleiten in eine leise Gitarre, später perlt irgendwo in der Dunkelheit ein Moll-Piano und verstärken den durch Mark und Bein gehenden, so nachdenklich machenden Effekt. Wo Moving On mitsamt seiner Mandoline eine verblasste Erinnerung an eine Flamenco-Nummer sein könnte, so entschleunigt und nur noch in mystischen Ruinen liegend, um die Schönheit der unerfüllten Sehnsucht und die Anmut der Trennung zu reflektieren, klatscht The Night of Santiago diesen in Zeitlupe herbei, bietet einen absoluten Ohrwurm mit hartnäckiger Hook und doch zu oft wiederholten Refrain, zurückgehaltend gezupfter Saiten und Klaviertupfern sowie einer geradezu frivol erzählten Liebesgeschichte.
Der wundervolle Titelsong könnte als sakraler Walzer über einem leisen Orgelteppich, feierlich schunkeln, kaum subtiler sein, bevor das kontemplative It’s Torn vollends geschwindigkeitsfern groovend beinahe einen Elder Statesman-Pop skizziert, der ohne Tempo unter den Sternenmeer schwoft. The Goal erscheint dagegen eher wie ein klimpernder Epilog, der die Schlußphase der Platte vorbereitet, aus der Listen to the Hummingbird wenig später als sinnierendes Gedicht zu ätherischen Ambient-Klavierklängen entlassen wird.
Dazwischen läuft Thanks for the Dance jedoch noch einmal zur Höchstform auf und klärt eventuell auch die imposante Gästeliste, die sich im Hintergrund aufbaut. Das heimlich-dramatische Puppets hätte mit mehr Willen zum Bombast leicht eine hymnische Kathedrale im Holocaust-Gedenken sein können, wie es da in den (prominenten) Chören badet. The Hills übernimmt addiert dort einen aus Twin Peaks schunkelnden Rhythmus und irgendwo scheinen gar körperlose Ahnung von Noir-Bläsern zu geistern. Eventuell ja ein schönes Sinnbild dafür, dass Leonard Cohen die Bühne zwar verlassen hat, sein Andenken aber auf subversive Weise und mit einem runden Tribut als Abschluss nachhallen wird.
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