Lathe – Tongue of Silver
Instrumentaler Western-Postrock oder Country-Doom: Lathe aus Baltimore platzieren ihr Debütalbum Tongue of Silver weit drinnen in den Territorien von Grails, Earth, Horseback, Wovenhand oder Two Gallants.
Der Eklektizismus schreitet in Vinegar nach einem kurzem Intro geduldig an der Grenze zum archaischen, wortfreien Schuld-und-Sühne-Soundtrack dahin, kraftvoll und sehnsüchtig und bestimmt. Der Sound ist warm und ebenso geschmeidig wie geerdet. Eine Orgel grundiert flächig das Panorama, die Gitarren werden nostalgisch, wo die stoisch massiven Riffs nicht in der Glut der Verstärker liegen, oder die Weite der Melodien die Prärie vermessen. Wenn Tyler Davis (guitars, bass, organ), Eric Paltell (pedal steel, guitars) und Flynn Diguardia (drums) das Tempo fast meditativ halten, dann bedient Tongue of Silver genau genommen eigentlich primär relativ standardisiert das Schema, die Ästhetik und die Verhaltensmuster der assoziativen Referenzpunkte – doch das Trio tut dies so versiert wie ökonomisch und kompetent, absolut stimmungsvoll, und sorgt mit dem Rückgrad der Platte für die nötige Gravitation.
Denn das World Building von Lathe ist ansatzlos – will aber eben nicht immer derart an seinen grundlegenden Genre-Orientierungspunkten typisiert auf Nummer sicher gehen, sondern wagt sich zumindest hinsichtlich der Dynamik auch auf überraschende Pfade.
Drain gestaltet seine Melange aus Stoner und Americana erstaunlich hoffnungsvoll an der Aufbruchstimmung, die über den optimistischen Horizont trägt, läuft nahezu gut gelaunt und unbeschwert dahin, relaxt beschwingt, ohne Gewicht zu verlieren. (Das durch den abrupten Tempowechsel suboptimal sequenzierte) Heat Waves kehrt zwar anfangs in ein verrucht-entspanntes Badalamenti-Schwofen ein, schwingt sich aber bald nach vorne gehend zum lockeren Spaghetti-High Noon auf. Rodeo Fumes gönnt sich dann (als Schwachpunkt der Platte) gar einen lapidaren punkigen Drive und rockt gut abgegangen den Highway, galoppiert (mit zu simplem Uff-Ta-Gekloppe, vor allem auch zu dünn klingender Kickdrum) zügig den schwermütigen Klischees davon und in die Arme der Distortion hinein (wo Blastbeats leider beinahe unkenntlich werden). Kompositorisch mag das nicht sonderlich elegant gelöst sein – aber effektiv.
Zumal schlüssig und kohärent, weil das leidlich inspirierte, aber den Kontext stimmig fortführende Drone-Interlude 351W nahtlos übernimmt. Cauliflower beginnt als Voodoo-Outlaw-Blues von Duke Garwood aus der Perspektive von Dylan Carlson, verfällt in einen bratzenden Trott Richtung Lost Highway-Roadhouse, drückt aufs Gaspedal und lehnt sich dann wieder zurück, bevor das Doppel aus dem heavier ausgelegten, dystopischen Geplänkel Journey to the East und dem Sunn O))-meets-Arbouretum-Gipfel Morris mit beschwörender, cinematographischer Kraft die relative Crux der Platte unverbindlich unterstreicht: atmosphärisch ist Tongue of Silver trotz produktionstechnischer Makel (weil die wirklich apokalyptische Tragweite des Spektrums nicht ausgeschöpft wird) absolut überzeugend, während das Songwriting ohne wirklich ikonische Momente allerdings erst in diesen finalen Metern weitestgehend befriedigend entlässt. Nichtsdestotrotz: ein tolles Debüt!
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