Las Historias – Las Historias
Der Wizard of Meth-Optiker Gabriel Ravera mag mit dem herrlich primitiven Klischee-Artwork die erste Aufmerksamkeit generieren, doch das eigentliche Highlight bleibt die Musik der selbstbetitelten Debüt-EP (?) von Las Historias.
Praktisch ungehört ist jedoch klar, dass die fünf Songs hier in erster Linke ein purer Dienst für Genre-Fans sind. Das beginnt eben beim aus dem Baulasten perfektionierten Cover und endet nicht mit der Vertragsunterzeichnung beim Szene-Label Electric Valley Records (die ja auch gewisse ästhetische Verpflichtungen mit sich bringt), weil dahinter zudem Elemente wie eine ziemlich diffuse Release-Historie das Bingo anvisieren. (Dazu passt, dass die versammelten 30 Minuten von der Band selbst als EP beworben werden, aber bei Bandcamp als LP formieren).
Tatsächlich fügt sich Las Historias mit seinem vor Fuzz vibrierenden Heavy Psychedelic Rock samt halluzinogener Vintage-Stoner-Abgehangenheit nun auch wirklich relativ nahtlos an die stilistische Erwartungshaltung, inhaliert also im selben Dunstkreis, wie es Mephistofeles, The Black Furs und all jene anderen Epigonen tun, die das Erbe von Electric Wizard mittlerweile pflichtbewusster und kompetenter verwalten, als die Doom-Titanen es aktuell selbst tun.
Die einzige Überraschung an Las Historias ist insofern, wie verdammt gut das argentinische Trio aus Córdoba in dem ist, was es tut – definitiv über dem gängigen Standard.
Nach dem verdrogt-flimmernden Intro Lord of Poison, das seine hypnotische Trance mit orientalischer Patina luzid gebiert, fächert das Trio den MO immerhin im Rahmen der Gepflogenheiten strukturell mit einem immanenten Hang zum instinktiven Jam auf, smoother, als so viele andere. Frankenstein zelebriert eine wunderbar organisch und satt in Zeitlupe groovende Riffkaskade, die Rhythmussektion ist trocken, die Gitarren liquide und wendig. Wenn die Nummer nach zwei Einleitungssegmenten in den Blues abbiegt, ist das eine grandiose Entscheidung – dass die Vocals in einem weitestgehend instrumental losgelassenen Song nicht überzustrapaziert wirken, absolut sinnvoll; dass sie sich in den wenigen Szenen zudem von gängigen nasalen, okkulten Tropen a la Uncle Acid entfernen, ist noch smarter.
So kann die Gitarre vor physisch so präsente Drums und den gurgelnden Bass mit allen Freiheiten von der Leine gelassen werden, sucht die Atmosphäre über den Roadhouse-Country zum Kyuss-Desert hinausgehend, mit aller Zeit der Welt, während so viele Konsorten oft mit dem Kopf durch die Formel-Wand wollen. Doch es muß explizit erwähnt werden: Einen besseren Schlagzeugsound hatte in der Vintage-Ecke wahrscheinlich seit Earl Greyhound kaum jemand mehr – Kudos an Engineer Pablo Aguirre.
Weswegen auch ohne Lavalampen ein geradezu progressiv lauernder Trip voller Neujustierungen entsteht, der alleine vom Klang eine essentielle Nische für sich auftut, auch wenn die Grundsubstanz von Las Historias vielleicht keine Innovationspreise verdient.
Hada Madrina lehnt sich zurück, lässt sich smooth durch die sanftesten Träume des Stoner Rock treiben, spätestens wenn der Gesang einsetzt würzt dieser jedoch mit einer an die 70er angelehnte Sehsucht, bevor die Melancholie auf die letzten Meter vom allgegenwärtigen Fuzz eingesammelt und zumindest phasenweise in knackigere Form gegossen wird. Dennoch ist es die nahtlose Dualität aus schweißtreibender Kompaktheit und flanierender Mediation, in die man sich fallen lassen kann, die das Wesen von Las Historias bestimmen.
Ya vendrán ist deswegen auch praktisch eine Symbiose aus den Lehren von Black Sabbath und der Erinnerung an die Comets on Fire, ein ständiger Kontrast aus dem anziehen des Drucks und des flimmernden Lösens, eine geduldige Achterbahnfahrt der Dynamik und Imagination, eine fiebrig sedierte Odyssee: Wenn man einer Band dieser Sparte in Twin Peaks begegnen könnte, dann dieser.
Danach türmt das in jeder Hinsicht zu plakative Mayhem and Sex sich als lange bekannte Single zum Statement auf, rollt das Riff besonders heavy aus dem Ärmel, strawanzt hinten raus auch nonchalant, bleibt allerdings am konventionellsten gestrickt (sowohl aus struktureller Sicht, wie auch gesanglich) der relative Schwachpunkt der gefühlten EP: Ja, Las Historias können sich ohne Probleme in direkte Schlagdistanz zu ihren Mitbewerbern begeben, limitieren sich damit jedoch selbst. Zumal damit auch etwas ungeschickt darauf hingewiesen wird, dass dem Gespann genau genommen die wirklich genialen Momente (noch) abgehen. Zu einem Stolperstein wird dies einem Aufbruch zu einer interessante Reise (auch in der Wertung zugegebenermaßen mit ein wenig Welpenschutz vesrehen) keineswegs – die drei Spanier haben sich quasi aus dem Stand heraus zu einer der heißesten Aktien der Szene gemacht.
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