Lantlôs – Wildhund

von am 24. September 2021 in Album

Lantlôs – Wildhund

Aus dem Coverartwork muss man nicht schlau werden, doch musikalisch ist die Richtung eindeutig: Markus Siegenhort hat seine Bandprojektionsfläche Lantlôs stilistisch wieder einmal (und vielleicht drastischer den je) in einer erstaunlich gut sitzenden Ausrichtung neu erfunden – doch prägen den Wildhund leider auch die Kinderkrankheiten in dieser Ausrichtung.

Der vor sieben Jahren auf Melting Sun noch zelebrierte Blackgaze ist auf Wildhund wenn überhaupt nur noch ein Element in entfernter Erinnerung. Stattdessen haben sich Nuancen von damals nunmehr als prägende Elemente in den Vordergrund geschoben und tragen die knapp 52 Minuten der Platte mit einer immanent gebliebenen Liebe für Slowdive  in den Alternative Rock und Metal, der mit Prog-Konturen, Djent’esker Technik, einer latenten Indie-Affinität und shoegazender Patina sehnsüchtig in die Schnittmenge aus Deftones, Vola, Dredg und Hum sinniert.
Der starke Opener Lake Fantasy gibt hier als Aushängeschild die symptomatisch direkte Agenda für die nachfolgende Homogenität aus: Die Texturen erzeugen erst beinahe eine Stadion-Stimmung in der Atmosphäre und wandern dann zum halluzinogenen Wesen von Gang Gang Dance, das abgehakt in Schüben kommende Riffing ist ebenso packend und druckvoll wie die absolut präzise Rhythmusarbeit, auf so verträumte und heavy zwingende Weise sanft.
So geprägt wird der kohärent bleibende Sound trotz einer gewissen Gleichförmigkeit das Songwriting durchaus dynamisch variieren, stets etwas hymnisches und erhebendes mit triumphal aufsteigender Geste artikulieren, während etwa ein Home sein Tempo drosselt, um mit einem mathartigen Groove eine potrockige Majestät an das hoffnungsvolle Firmamant zu malen. In seinen besten Momenten könnte Wildhund (trotz des stark hinkenden Vergleichs) tatsächlich als das kompositionell stärkere (und trotzdem gar nicht unbedingt abwechslungsreichere) Infinite Granite durchgehen.

Leider hält die Platte dieses Niveau nicht und findet im Verlauf nur mit dem tollen Doppel aus dem atmosphärischen, transzentental und luzid schimmernden Interlude Cloudinhaler (dass zudem die gelungene Spielwiese der Deluxe Edition vorwegnimmt) sowie dem wehenden, viel Raum und Zeit einnehmenden Planetarium zur knackigen Intensität der Anfangsphase zurück.
Mit dem grundlegenden Problem, dass die Stimme von Siegenhort gerade auch durch den Detailreichtum der Inszenierung und der Dichte des Sounds überholt wird, wirkt der Gesang einfach zu uninteressant, kann kein emotionales Momentum entwickeln und begleitet eher zweckaffin.
Gerade, wenn etwa Vertigo melancholischere Tendenzen anschlägt, wirken die Vocals zu hüftsteif, wobei auch die platten Texte einen gestelzten Beigeschmack hinterlassen – ein Lich wird später gar primär aufgrund der lyrischen Plattitüden ernüchternd entlassen.

Aber auch die Songsubstanz darunter schwächelt im Mittelteil enervierend. The Bubble assimiliert zwar interessante Harmoniegesänge, mäandert ansonsten aber unausgegoren um den Pathos und addiert am Ende auch noch (zumindest mit selektiv auf diese Nummer, vom Kontext des Gesamtwerkes gelösten Blick) willkürlich auftauchende anachronistische 8Bit-Synthies, die ohne Relevanz für das Stück an sich bleiben und so abrupt wieder verschwinden, wie sie in das Geschehen geirrt sind. In Amber besticht dagegen an sich der Kontrast aus postmetallisch brüllenden Wutausbrüchen und ambientem Zwischenspiel, während drumherum jedoch wie auch im zerfahrenen Dog in the Wild eher ein zielloses Sammelsurium aus wenig überzeugenden Einzelideen stattfindet.
Diese sich letztendlich summierenden Mankos tun alleine deswegen weh, weil sie sich im zu langen Verlauf auch mit viel Wohlwollen nicht ignorieren lassen und immer wieder auslaugend in den Fokus drängen, vor allem aber, weil der konsequente Paradigmenwechsel von Wildhund Lantlôs eigentlich so gut stehen würde. Weswegen es schön wäre, würde Siegenhort diese Entwicklungsphase seiner Band mit mehr Feinjustierungen noch einmal behandeln, bevor wohl die nächste Mutation einsetzt.

Print article

Kommentieren

Bitte Pflichtfelder ausfüllen